Donnerstag, 30. April 2015

Die ganze Wahrheit über die schweren Nebenwirkungen von Zoloft: Pfizers interne Datenbank INDIE

90% der schweren Nebenwirkungen zum Suizidrisiko unter Zoloft aus klinischen Studien wurden bei der  Zulassung nicht berücksichtigt

 




Vor 6 Jahren im Juni 2009 hatten wir erstmalig Einblick in das Gutachten und den Zulassungsantrag zu Zoloft bei der Arzneimittelaufsichtsbehörde BfArM in Bonn. Als ich die Zahlen zu den schweren Nebenwirkungen  unter Zoloft  mit der Kontrollgruppe verglich, ging ich davon aus, dass bei der Bewertung des Suizidrisikos auch sämtliche schweren Nebenwirkungen aus den klinischen Studien berücksichtigt wurden, die bis zu dem Stichtag 01.09.1993 abgeschlossen waren. Es wurde  in diesen Unterlagen von 15 Fällen von Suiziden, Suizidversuchen und Suizidalität berichtet.


 
 
Doch als wir im November 2013 erneut beim BfArM waren, um die Zulassungsunterlagen  ein zweites mal zu prüfen,  fanden wir zufällig eine Liste aus der internen Datenbank INDIE zu Zoloft des pharmazeutischen Unternehmens Pfizer. Es waren hierin sämtliche schweren Nebenwirkungen aufgeführt, die sich bis zum Stichtag 01.09.1993 ereignet hatten sowohl aus klinischen Studien und außerhalb.  Danach aber war die Anzahl der schweren Nebenwirkungen zu Suiziden, Suizidversuchen und Suizidalität unter Zoloft zehnmal größer als in dem offiziellen Zulassungsgutachten bei der Bewertung des Suizidrisiko genannt wurde.
Statt nur 15 Fälle hat es in klinischen Studien bei Vermeidung von Doppelzählungen 114 Fälle gegeben. Mit anderen Worten: Es wurden bei der Bewertung des Suizidrisiko in dem Zulassungsantrag 90% der relevanten schweren Nebenwirkungen unter Zoloft aus klinischen Studien unter den Teppich gekehrt und nicht berücksichtigt.
Ich hatte daraufhin die Aufsichtsbehörde BfArM angeschrieben und um eine Erklärung gebeten. Meine Anfrage wurde prompt an das pharmazeutische Unternehmen weitergeleitet. Vier Monate später, Anfang Oktober 2014, erhielt dann das BfArM die Stellungnahme des Unternehmens Pfizer. Die Behörde brauchte dann über zwei Monate, um die Stellungnahme ihrerseits zu bewerten. Ich erhielt dann Anfang Januar 2015 die Bewertung der Aufsicht zu der Stellungnahme des Unternehmens und einen Monat später auch eine Kopie der Stellungnahme.

 
Die Erklärung des Unternehmens zu den abweichenden Daten zum Suizidrisiko war, dass in der Zulassung bei der Bewertung des Suizidrisikos nur die  Nebenwirkungen zu Suiziden, Suizidversuchen und Suizidalität berücksichtigt wurden, bei denen nach Einschätzung der Prüfärzte ein kausaler Zusammenhang mit der Behandlung mit dem Medikament Zoloft bestand oder möglicherweise bestanden hat. In den meisten Fällen jedoch war nach Ansicht der Ärzte die Krankheit die Ursache für die schweren Nebenwirkungen und nicht das Medikament und so wurden sie auch nicht gewertet. Doch wie konnten die Ärzte da so sicher gewesen sein, da doch die Nebenwirkungen sehr dem Krankheitsbild gleichen? Hätten nicht sämtliche Nebenwirkungen einbezogen werden müssen , um das Suizidrisiko objektiv zu bewerten? Wird durch die Vorauswahl durch die Ärzte nicht das Ergebnis der Risikobewertung verfälscht?
 
 

Samstag, 11. April 2015

Stand der Germanwings-Copilot unter Antidepressiva ?

Mediziner wegen Lubitz" Diagnose unter Druck (Bild: APA/EPA/FOTO-TEAM-MUELLER, AP)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 




In den letzten Tagen wurde viel in den Medien über die psychische Verfassung des Germanwings Copiloten Andreas L. vor dem Absturz  berichtet, der die Maschine wohl absichtlich gegen einen Berg geflogen und 150 Menschen mit in den Tod genommen hat.
Wie es scheint, hat er zuletzt fast verzweifelt immer wieder neue Ärzte aufgesucht, um seine  psychische Krankheit zu heilen und seine Fluglizenz nicht zu verlieren. Den Berichten zufolge hat er auch Psychopharmaka, unter anderem Lorazepam,  ein Mittel gegen Angstzuständen, und Antidepressiva eingenommen.
Worüber aber in der deutschen Öffentlichkeit kaum bzw. gar nicht  in den Medien diskutiert wird, ist die Frage, ob die Gewalttat möglicherweise durch die Medikamente, die er einnahm, ausgelöst wurde. Denn auch wenn er den Absturz geplant hat und sich im Internet nach Methoden der Selbsttötung und dem Mechanismus von Cockpittüren informiert hat, so braucht es doch immer noch einen Impuls, dies auch in die Tat umzusetzen und der kann durch die Medikation ausgelöst worden sein.
Da Andreas L. bei mehren Ärzten in Behandlung war, wird er sehr wahrscheinlich auch ein SSRI- Antidepressiva erhalten haben, denn die sind heutzutage die Standardtherapie gegen Depressionen.
Eine Nebenwirkung der SSRI-Antidepressiva ist aber - und hiervor wird seit Ende 2005 auch in der Packungsbeilage gewarnt - , dass sie das Suizidrisiko erhöhen können.
Es ist daher durchaus nicht abwegig , die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass der absichtliche Absturz der Germanwings-Maschine durch das Antidepressivum , das der Copilot eingenommen hatte, ausgelöst wurde.
Dass die Medikation mit eine Ursache für den absichtlichen Flugzeugabsturz gewesen sein könnte, wird in der öffentlichen Berichterstattung aber überhaupt nicht betrachtet. Es scheint so, als wenn jede Diskussion in diese Richtung von vornherein im Keim erstickt werden soll. In einem Beitrag auf Focus-Online äussert sich die Fachgesellschaft DGPPN hierzu wie folgt:
  • "...Es gibt keine Belege für den Zusammenhang von Antidepressiva und Gewalthandlungen. Besonders SSRI dämpfen Aggressionen eher.
  • Das Suizidrisiko scheint altersabhängig zu sein. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist es ausgeprägter als bei Erwachsenen über 25 Jahren.
  • Für Antidepressiva, besonders die neue Generation der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), ist zu Beginn der Behandlung eine engmaschige ärztliche Kontrolle nötig. Das soll verhindern, dass der gesteigerte Antrieb eines Patienten im Suizid endet.
Weiter heißt es dort :
 " ... Der Facharzt für Psychiatrie Andreas Meier-Lindenbetg hält die Diskussion über Suizidalität von SSRI für beendet. " Der Verdacht ist zumindest für Patienten außerhalb des Jugendalters widerlegt." Bis auf wenige Einzelfälle würden Antidepressiva Suizide verhindern, nicht begünstigen oder gar auslösen.."
 
Doch das ist totaler Bullshit! Wenn es tatsächlich so wäre, warum heißt es dann in der Fachinformation, dass in Studien an Kindern und Jugendlichen ein erhöhtes Risiko durch die Behandlung mit SSRI -Antidepressiva festgestellt wurde? Als dies ein Mitarbeiter der FDA bei der Untersuchung von Studien im Jahre 2004 festgestellt hatte, wollte man dies nicht an die Öffentlichkeit bringen. Der Mitarbeiter, Dr, Mosholder, der dies entdeckte, durfte die Ergebnisse seiner Untersuchungen nicht auf einer Sitzung präsentieren. Doch es sickerte dennoch an die Öffentlichkeit und die FDA-Oberen  hatten nichts besseres zu tun, als gegen denjenigen, der dies weitergegeben hatte, Anzeige zu erstatten. Denn es konnte ja nicht sein, was nicht sein durfte!
 
Auch die Behauptung, dass ein erhöhtes Risiko nur für Jugendliche und junge Erwachsene besteht, ist Blödsinn. Als dann die FDA das Suizidrisiko bei Erwachsenen im Jahre 2005 untersuchen ließ und dann die Ergebnisse im Dezember 2006 der Öffentlichkeit präsentierte, wurden nicht alle Daten aus den verfügbaren Studien berücksichtigt. Denn z-B. Pfizer hatte zunächst Daten präsentiert, in denen kein erhöhtes Risiko für erwachsene erkennbar war. Doch kurz vor der Sitzung hatte Pfizer weitere Daten zu dem SSRI Zoloft nachgereicht und die zeigten ein gänzlich anderes Bild: das Suizidrisiko bei Erwachsenen unter Zoloft war nun auf einmal doch nahezu doppelt so hoch wie in der Vergleichsgruppe (siehe z.B. http://davidhealy.org/where-were-the-adults/ oder auch https://dl.dropboxusercontent.com/u/76427940/Blog/Gegen_Pfizer/FDA/Pfizer_FDA_Advisory_Panel_Additional_Data_markiert.pdf  ). Doch leider  kam diese Nachmeldung zu spät und so wurde in der öffentlichen Sitzung der FDA vom 13.12.2006 nur die unvollständigen Daten zu Zoloft präsentiert. Man sieht also: Es ist alles Lug und Trug!
Wer glaubt eigentlich im Ernst, dass ein Risiko nur bis zu einem bestimmten Alter besteht? Lassen sie sich bitte nicht für dumm verkaufen und glauben Sie nicht diesen Mythos, dass für ältere Erwachsene kein erhöhtes Suizidrisiko durch SSRI Antidepressiva besteht!
 
 
Während also die Meinung der Vertreter der medizinischen Zunft, die immer noch jeden Zusammenhang von Suizidalität und Antidepressiva leugnen und jede Diskussion hierüber am liebsten beenden würden, in den Medien leicht Gehör finden, haben es die  Kritiker deutlich schwerer. So wurde beispielsweise ein Leserbrief eines bekannten und bedeutenden Facharztes für Psychiatrie,  der auf die Möglichkeit eines Zusammenhangs des tragischen Flugzeugunglücks und den Medikamenten, die der Copilot eingenommen hatte, aufmerksam machen wollte, erst gar nicht abgedruckt.
Hat es hierzu überhaupt einen Bericht in der Presse gegeben oder ist dies tabu?
Ich finde es überhaupt bedenklich, dass es in Deutschland den Piloten erlaubt ist, Psychopharmaka im Dienst einzunehmen.
Hierzu hat kürzlich David Healy auf seinem Blog einen interessanten Beitrag geschrieben (siehe http://davidhealy.org/winging-it-antidepressants-and-plane-crashes/.
 

Winging it: Antidepressants and Plane Crashes

Pilot
The crash last week of the Germanwings plane has shocked many.  In view of the apparent mental health record of the co-pilot Andreas Lubitz, questions have been asked about the screening policies of airlines.  The focus has generally been on the conditions pilots may have or the arguments they might be having with partners or other situational factors that might make them unstable.
Even when the issue of the medication a pilot may be taking is raised, as an article by Erica Goode in the New York Times makes clear it is in the context of policies that permit pilots to continue on drugs like antidepressants to ensure any underlying conditions are effectively treated.

Side-Effective 

Clearly if a drug is effective in clearing up an underlying condition, its use should make the pilot – or driver of a coach carrying 50 or more passengers – safer.  But fewer treatments in medicine are effective in this sense than people might think and even when effective they come with effects that need to be balanced against the likely effects of the underlying condition.
Doxycyline, for instance, a widely used medicine for acne and for malaria prophylaxis, can be very effective for acne.  But doxycycline can also make someone depressed, suicidal and homicidal, while acne doesn’t do this.
Other antibiotics like Levaquin and Cipro can cause a range of serious and enduring problems including psychosis but are ordinarily given for problems that are unlikely to compromise a pilot’s ability to fly and keep her passengers safe.

Antidepressant Effects

So what about depression?  The risks of suicide or homicide from mild to moderate depression or anxiety are almost nil.  Think of it this way – what we call depression today in nine cases out of ten was called anxiety 30 years ago before the development of the SSRIs and anxiety was not thought of as a significant risk factor for suicide or homicide.
Difficulties with a partner or at work can lead to precipitate action including suicide or homicide.  They can also lead to anxiety or depression but the anxiety or depression linked to these events don’t for the most part cause problems except in so far as sleeplessness on the one side or a sedative drug on the other might cause an accident.
Whatever the risks of suicide or homicide linked to such anxiety or depressive states might be, in clinical trials antidepressants close to double them – and not just in younger adults. They do so by causing psychosis, or by producing an agitation laced with suicidal or homicidal thoughts, or by producing an almost lobotomized state in which people will do things they would ordinarily never do, or by increasing blood alcohol levels if the person has had a drink.
GSK data suggest these drugs appear to make someone more likely rather than less likely to “act out” if they have just had a partner break up with them.  See Kraus – Clinical features of patients with treatment-emergent suicidal behavior following Paroxetine.
All of this has been relatively well known for decades.  We could have made things much safer by discussing the changes treatment can trigger openly much earlier and permitting patients and doctors to identify problems and find solutions – such as switching to a drug of a different class.  Doctors and patients have been left flying by the seat of their pants.

The Debate

There are likely to be a number of features to the current debate.
First an impression will be created that we know more about these drugs than we in fact do. 
We know almost nothing about what antidepressants actually do – we still don’t know what they do to serotonin.
Rather than being effective like an antibiotic, these drugs have effects – as alcohol does. Their primary effect is to emotionally numb. Patients on them walk a tightrope as to whether this emotional effect is going to be beneficial or disastrous.
We know even less about other drugs Lubitz might have been on such as mood-stabilizers.  These too can produce suicidality and homicidality but they have a different signature to that of antidepressants.  The trouble is that, unlike the case of the SSRIs, no doctor giving any patient a mood-stabilizer can tell them what to watch out for or what the timeframe of problems is likely to be.
Lubitz has been widely reported as having vision problems – see  Mail on Sunday. Antidepressants cause visual problems – see RxISK.  But there is little known about these problems.
Second there are a lot of powerful interests at stake.
Some of these will think nothing of playing the personality card in the case of Lubitz to create the impression this was all about his instability rather than an instability in him created by treatment.
Third these powerful interests employ the best public relations on the planet.
These companies will in a variety of ways play the card that anyone suggesting treatment may have been part of what went wrong are just conspiracy theorists.
Fourth efforts to manage the problem will be portrayed as effective. 
We will hear that the Federal Aviation Authority in the US only permits pilots to fly on a selected number of antidepressants when they have been stable on treatment for six months.  Sounds good.  But no mention of the problems that happen on withdrawal – which are as great as those that happen on starting.  See Antidepressant Withdrawal: A Prozac Story – on RxISK.  Prozac is one of the selected antidepressants.
Once treated with a drug, a pilot is never the same again.  Even if the underlying condition clears, he may not be able to stop.  The risks are not eliminated.  The only way to manage these risks is to have a close relationship between the pilot and her doctor in which the doctor is fully informed as to what the risks are – a doctor who acts like a pilot in the sense that she doesn’t take risks that will bring her down along with her pilot–patient.

Let them Burn

In lectures for several years  – see Professional Suicide, I have compared the roles of doctors and pilots saying that we are all safer flying than we are in the hands of our doctors because the pilot knows if the system isn’t safe and you die, she will also, whereas doctors can always and routinely do blame your condition or your circumstances.
This idea has now crashed into Andreas Lubitz and his doctors.  We are all wondering about Lubitz and what motivated him.  What about the doctors who may have unintentionally primed him?
At the moment it is difficult to see Lubitz as a victim but he may be.  His doctors may also be victims.  They may have joined a string of doctors who agonize over horrific events they are party to.
Treatment may not have precipitated what happened in this case but there are many people in the pharmaceutical industry who have known for a long time that something like this can happen on their medication and they have done nothing to put in place systems to manage these risks or to dismantle the system that gives rise to risks like this at a much greater rate than we should have to tolerate.
That corporations might do this is not a conspiracy theory. In the famous Ford Pinto case, a Ford executive made aware of risks that their car would lead to a regular number of drivers and passengers being incinerated each year – a problem that could have been inexpensively put right – famously wrote
The powers that be have been winging it for decades.