Dienstag, 6. März 2018

Interview mit Dr. Hengartner : " Antidepressiva : Größtenteils nutzlos und potenziell gefährlich"

Liebe Leserinnen und Leser meines Blogs, 

Ende letzten Jahres hat der Züricher Wissenschaftler Michael Hengartner einen bedeutenden Übersichtsartikel zu Antidepressiva publiziert. Er kommt zu einem ähnlichen Ergebnis wie schon Irving Kirsch vor 10 Jahren, dass die Wirkung der SSRI-Antidepressiva sehr gering ist, sie aber erhebliche Nebenwirkungen haben. 

Doch während vor 10 Jahren eine intensive Diskussion stattgefunden hat und auch in den großen Medien über die Studien von Kirsch berichtet wurde, so ist heute die Publikation von Hengartner außerhalb der Fachkreise nahezu unbekannt. In den Leitmedien herrscht breites Schweigen. Was der herrschenden Meinung, d.h. der Meinung der Herrschenden, widerspricht, darüber wird nicht mehr berichtet. Dies ist Lückenpresse! 

Aber da gibt es ja noch die unabhängigen Medien wie z. B. Telepolis. Die haben vor wenigen Tagen ein wirklich interessantes Interview mit dem Autor Hengartner geführt. Daran sagt er z. B. Das die meisten Studien schon von Anfang an fehlerhaft sind und nicht darauf ausgerichtet sind Risiken zu erkennen sondern ein noch so geringe Wirkung möglichst positiv darzustellen. Er nennt dies "flawed by Design". 

Viel Spaß beim Lesen. 

Beste Grüße, 

Lothar Schröder 


Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Groesstenteils-nutzlos-und-potenziell-schaedlich-3977880.html


Größtenteils nutzlos und potenziell schädlich"

26. Februar 2018  Stephan Schleim

Ein Interview über den problematischen Erfolg der Antidepressiva

Michael P. Hengartner ist promovierter Psychologe und forscht an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Von 2009 bis 2014 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Seit 2015 ist er auch Dozent für Psychosoziale Medizin an der Universität Zürich und für Psychopathologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Seine Forschungsschwerpunkte sind klinische Psychologie, Sozialpsychiatrie und die Verbreitung (Epidemiologie) psychischer Störungen.

Wichtiger Hinweis des Autors: Das Absetzen von Antidepressiva kann zu Entzugserscheinungen oder der Verschlimmerung bestimmter Symptome führen. Bitte unternehmen Sie keine solchen Schritte ohne die Betreuung einer erfahrenen Vertrauensperson.

English version of the interview.

 Herr Dr. Hengartner, warum haben Sie sich mit der Forschung zu Antidepressiva beschäftigt?

Michael P. Hengartner: Hier muss ich etwas ausholen: Als Forscher interessierte ich mich schon früh für die Methoden- und Wissenschaftslehre. Wie zuverlässig ist die Forschung insgesamt? Aber auch speziell die Forschung in der Psychologie oder Psychiatrie? Zudem befasste ich mich viel mit Statistik und der Art und Weise, wie Forschende die Statistik mitunter missbrauchen und fehlinterpretieren.

Natürlich hatten wir inzwischen auch die Replikationskrise in der Psychologie: Warum lassen sich so viele Studienergebnisse nicht wiederholen? Zudem scheint es fast überall einen "publication bias" zu geben. Das heißt, positive Ergebnisse werden geschönt und publiziert, negative Befunde verschwinden aber in der Schublade. Viele Forscher versuchen, ihre Fachrichtung zu verkaufen - und sind darum voreingenommen.

Ich schaute mir auch Forschung zur Wirksamkeit von Psychotherapie an. Dann stieß ich auf die kritischen Arbeiten zur Wirksamkeit von Antidepressiva der britischen Psychiater David Healy und Joanna Moncrieff, des amerikanischen Psychologen Irving Kirsch oder des dänischen Arztes und Direktors der nördlichen Cochrane-Zenters Peter Gøtzsche. Ich war schockiert über das Ausmaß methodischer Verzerrungen in diesen Antidepressiva-Studien.

 In Ihrem neueren Übersichtsartikel kommen Sie zu dem Ergebnis, dass Antidepressiva - konkret geht es um die gängigsten Medikamente vom Typ SSRI und SNRI - größtenteils nutzlos und potenziell schädlich sind. Können Sie das kurz erklären?

Michael P. Hengartner: Das Hauptproblem von Studien zu Antidepressiva ist, dass sie vom Entwurf an falsch sind, auf Englisch sagt man: "flawed by design." Schon bevor die eigentlichen Beobachtungen beginnen, ist alles darauf ausgerichtet, dass man am Ende möglichst einen signifikanten Effekt zugunsten der Medikamente findet. Dabei sollten randomisierte und Placebo-kontrollierte Studien eigentlich solche Verzerrungen vermeiden.

In der Praxis kann davon aber oft keine Rede sein. So werden etwa vor der Hauptuntersuchung schon Teilnehmer ausgeschlossen, die stark auf ein Placebo, also eine wirkungslose Kontrollsubstanz, reagieren. Warum tut man das? Weil so die Wahrscheinlichkeit höher wird, dass das Medikament später eine stärkere Wirksamkeit zeigt als das Placebo.

Behandlung von Entzugserscheinungen

 Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen?

Michael P. Hengartner: Patienten mit einer diagnostizierten Depression bekommen oft schon ein anderes Medikament verschrieben. Um die Studienergebnisse nicht durch solche Substanzen zu verfälschen, gibt man ihnen wenige Tage vor Beginn der randomisierten Studie erst einmal ein Placebo. Dies wird als Placebo-Washout bezeichnet. Es heißt, dass damit das alte Medikament aus dem Körper gewaschen werden soll. Wer dann schon eine Verbesserung zeigt, also stark auf das Placebo reagiert, der wird aus der späteren Untersuchung ausgeschlossen.

Ein anderes Problem ist, dass durch das Absetzen des alten Medikaments Entzugserscheinungen auftreten können. Denken Sie etwa an Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Ängstlichkeit oder Schlafprobleme. Die wenigen Tage Placebo-Washout vor der Studie sind oftmals zu kurz, als dass diese Symptome vor Studienbeginn bereits abgeklungen wären. Nun muss man wissen, dass das auch Symptome sind, mit denen man die Schwere depressiver Störungen misst.

Das heißt, manche Patienten in der Placebo-Gruppe verzeichnen zu Beginn der Hauptuntersuchung einen höheren Depressionswert, der aber durch den Medikamentenentzug ausgelöst wurde. Bei Personen in der Wirkstoff-Gruppe wiederum tritt kurz nach Beginn der Studie eine deutliche Verbesserung ein, denn die Vergabe von Antidepressiva beendet das Entzugssyndrom unmittelbar. Wenn in Studien von lediglich 4-6 Wochen in der Antidepressiva-Gruppe eine etwas größere Symptomverbesserung verzeichnet wurde als in der Placebo-Gruppe, könnte das nicht für die Wirkweise des neuen Medikaments sprechen, sondern schlicht für das Abklingen dieser Entzugserscheinungen.

In den Daten lassen sich diese Effekte leider nicht voneinander unterscheiden. Bei manchen Patienten in der Placebo-Gruppe können die Symptome unmittelbar nach dem Absetzen auftreten, also in der Washout-Phase. Bei anderen geschieht das erst verzögert, während der eigentlichen Untersuchung. Wir wissen aus Studien, dass 10 bis 50 Prozent der Patienten solche Entzugserscheinungen haben können.

Ein ähnliches Problem ist, dass Patienten in manchen Studien Beruhigungsmittel verschrieben werden, etwa Benzodiazepine. Mit diesen dürfen die Ärzte Unruhe oder Schlaflosigkeit, was typische Nebenwirkungen der Antidepressiva sind, nach eigenem Gutdünken behandeln. Der Effekt, der am Ende dem neuen Medikament zugeschrieben wird, könnte also schlicht an der Gabe von Beruhigungsmitteln liegen.

Beeinflusste und beeinflussende Beobachter

 Welche Rolle spielen die Fachleute, die die Untersuchungen machen, bei solchen Studien?

Michael P. Hengartner: Ein klassischer Befund aus der Psychologie ist, dass es in experimentellen Studien einen Beobachtereffekt gibt. Das heißt, wenn die Versuchsperson oder der Forscher weiß, zu welcher Gruppe er gehört, dann fällt das Studienergebnis anders aus. Gerade deshalb sollen in solchen Studien weder die Patienten, noch die klinischen Fachleute wissen, wer das Placebo und wer den Wirkstoff bekommt. Man nennt das Doppelverblindung.

In der Praxis funktioniert das aber nicht: Sowohl die Patienten als auch die Fachleute haben oft jahrelange Erfahrung mit den Wirkungen von Psychopharmaka. Das heißt, wenn ein Patient nach einigen Tagen keine der häufigen Nebenwirkungen wie etwa Mundtrockenheit berichtet, dann können beide Seiten vermuten, dass hier ein Placebo verwendet wird, auch wenn niemand das offiziell weiß.

Das kann die Studienergebnisse verfälschen. Schließlich sind die Fachleute diejenigen, die den Patienten Fragen stellen und dann beurteilen, wie stark die Symptome sind - etwa leicht, mittel oder schwer -, woraus dann ein allgemeiner Depressionswert berechnet wird. In Untersuchungen wurde gezeigt, dass rund 90 Prozent der Fachleute nach einiger Zeit wissen, wer das Placebo und wer den Wirkstoff bekommt. Damit ist die Aussagekraft und Gültigkeit der Studien fundamental gefährdet.

Man hat in einigen Studien mittels Fragebögen die Patienten selbst ihre Symptome bewerten lassen. Dann wurden die Effekte kleiner oder verschwanden sogar ganz. Fachleute und Patienten haben also unterschiedliche Meinungen über die Wirkung. Davon abgesehen erfassen solche Depressionsskalen meist nicht, wie es den Patienten im wirklichen Leben geht. Können sie arbeiten? Wie steht es um ihre Beziehungen? Das sind aber Dinge, die für die Betroffenen unabhängig vom Schweregrad ihrer Symptome von großer Bedeutung sind.

Gefährdete Repräsentativität

 Inwiefern sind solche Studien überhaupt repräsentativ?

Michael P. Hengartner: Das ist ein anderer wichtiger Punkt. Neben Menschen, die stark auf ein Placebo reagieren, werden auch Menschen vom Versuch ausgeschlossen, die zusätzliche Probleme haben wie Angst- oder Substanzstörungen, also eine Alkohol- oder Drogensucht. In der Fachsprache nennt man das Komorbidität. Ebenfalls ausgeschlossen werden in der Regel Patienten, die unter psychotischen Symptomen oder Suizidgedanken leiden.

Jeder Kliniker weiß aber, dass Patienten mit der Diagnose Depression oft vielfältige Probleme haben. Die Studien müssten eigentlich nachweisen, welche Effekte die Medikamente in dieser typischen Patientengruppe haben, arbeiten aber mit einer ganz anderen, stärker eingegrenzten Gruppe. Daher lassen sich die Ergebnisse von Placebo-kontrollierten Antidepressivastudien nicht verallgemeinern.

 Sie schreiben auch, dass Antidepressiva das Suizidrisiko erhöhen und die Gesundheit gefährden können. Würden Sie das bitte näher erläutern?

Michael P. Hengartner: Diese Diskussion ist schon mindestens zwanzig Jahre alt. Eigentlich wurde schon Anfangs der 1990er Jahre bekannt, dass die damals neuen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) sowohl bei gesunden Personen als auch bei Menschen mit psychischen Störungen extreme Unruhe auslösen oder Suizidalität verursachen können. Das heißt, sie können unkontrollierbare, aggressive Impulse bekommen, an den Tod denken oder gar konkrete Schritte unternehmen, sich selbst zu verletzen.

Ein Problem war, dass die Wirksamkeits-Studien zu wenige Personen untersuchten, um diese Effekte statistisch signifikant werden zu lassen. Und Sie müssen wissen, dass man in der Forschungswelt die 5%-Signifikanzschwelle verabsolutiert, mehr als es die statistische Theorie rechtfertigt. So haben erst spätere Meta-Analysen mit den Daten tausender Menschen bestätigt, dass Antidepressiva zu einer erhöhten Suizidalität führen können. Der bereits erwähnte David Healy hat hierauf bereits sehr früh hingewiesen und sich damit viele Feinde geschaffen.

Dazu kommt, dass Suizidversuche, wenn sie in der oben beschriebenen Washout-Vorbereitungsphase auftraten, der Placebo-Gruppe angerechnet wurden. Dadurch wurde es unwahrscheinlicher, dass Suizidalität im Zusammenhang mit dem neuen Medikament auffällt. Außerdem ist es schwierig das Problem zu messen, wenn man von fatalen Suizidversuchen absieht. In manchen Studien wurden Gedanken an den Tod oder Selbstverletzungen schlicht als "emotionale Instabilität" oder "Verschlechterung der Depression" registriert, um das Problem zu kaschieren.

Gesundheitsgefährdung bei langfristiger Einnahme

 Und was meinen Sie mit Gefährdung der Gesundheit?

Michael P. Hengartner: Hier geht es eher um die langfristige Einnahme von Psychopharmaka, also über viele Jahre hinweg. Man muss sich vor Augen führen, dass es sich um psychoaktive Substanzen handelt. Wie andere Drogen auch. Das heißt, die Medikamente wirken irgendwie im Gehirn, auch wenn sie meiner Meinung nach nicht speziell die depressiven Symptome lindern.

Nun weiß man zudem, dass Serotonin im ganzen Körper wirkt und beispielsweise die Immunfunktion und den Stoffwechsel beeinflusst. So kann es schließlich zu einer Störung lebenserhaltender Körperprozesse kommen. Und natürlich zu neurobiologischen Störungen aufgrund andauernder Veränderung der Gehirnchemie.

Mir geht es nicht darum, Psychopharmaka zu verteufeln. Man muss aber bewusster damit umgehen, was die Substanzen im ganzen Körper machen, und das in die Abwägung von Nutzen und Risiken einbeziehen. Mehrere Studien zeigen inzwischen sehr deutlich, dass die langjährige Einnahme von Psychopharmaka bestimmte Gesundheitsrisiken erhöht.

 Was Sie in Ihrem Artikel zusammenfassen, ist das Ergebnis jahrelanger Forschung. Es handelt sich um wissenschaftliche Veröffentlichungen, die seit Langem in den Bibliotheken stehen. Warum dringt davon so wenig an die Öffentlichkeit?

Michael P. Hengartner: Man muss sich vor Augen führen, dass sich die Mainstream-Psychiatrie stark auf biomedizinische Konzepte und das Verschreiben von Psychopharmaka eingeschossen hat. Das sind die Krankheitsmodelle, die man am häufigsten untersucht und die Behandlungen, die man am häufigsten anwendet. Diese Botschaft wird auch erfolgreich medial verbreitet und aggressiv vermarktet. Die Hoffnungen in die Biologische Psychiatrie waren und sind sehr groß. Kritische Meinungen und Arbeiten wurden hingegen lange ignoriert.

Das lag auch an den systematischen Verzerrungen, über die wir bereits gesprochen haben. Man weiß heute, dass manche Studien eigentlich nur eineb edeutungslose Differenz zwischen Placebo und Antidepressivum von ein bis zwei Punkten auf einer Depressionsskala von 52 Punkten ergeben haben. In der Publikation wurde am Ende aber eine Differenz von über zehn Punkten berichtet, weil man selektiv nur eine Teilmenge der Patienten ausgewertet hat. Ärzte und Forscher haben diese verzerrten Darstellungen dann gelesen und einen falschen Eindruck bekommen.Natürlich gibt es auch den großen Wunsch durch das Personal in den Klinken und Arztpraxen, den Menschen etwas anzubieten, das wirklich hilft. Diesen Glauben an die Wirksamkeit der Medikamente wollen sich viele verschreibende Ärzte nicht nehmen lassen.

Zunehmende Verschreibungen

 Warum werden dennoch so viele Antidepressiva verschrieben? Sie behaupten sogar, dass es immer mehr werden.

Michael P. Hengartner: Es gibt wahrscheinlich mehr als nur eine einzige Ursache. Ich denke, dass auch die Hilflosigkeit in den Kliniken eine Rolle spielt. Was hat man nicht schon alles bei schwerkranken Patienten versucht? Man willja auch Hilfe leisten, damit es den Patienten besser geht.

Zudem mangelt es eben auch an Mitteln und alternativen Möglichkeiten. Bei einer akuten, schweren Depression mit psychotischen Symptomen ist beispielsweise eine Psychotherapie schwierig, da die Patienten vielleicht nicht mitmachen oder schnell abbrechen.

Es liegt aber auch daran, dass, wie gesagt, die Wirksamkeit der Medikamente überschätzt wird. Weil diese Meinung so weit verbreitet ist, haben es kritische Arbeiten schwer, durch den wissenschaftlichen Gutachterprozess zu kommen. Die Peer Reviewer, die eigentlich neutral und unabhängig sein sollten, halten diese Sichtweise für falsch und erschweren die Veröffentlichung. Rasch wird man auch als irrationaler Polemiker oder gar Sektierer abgestempelt.

 Wie verhält es sich eigentlich mit den offiziellen Richtlinien für die Behandlungen? Sind diese denn eindeutig?

Michael P. Hengartner: In diesen äußert sich ein weiteres Problem, dass man nämlich an unterschiedlichen Orten verschiedene Meinungen darüber hat, was die beste Behandlung ist. So schreibt etwa die Richtlinie der Amerikanischen Psychiatrievereinigung vor, dass man schon bei milden Depressionen Antidepressiva verschreiben soll. Das entsprechende britische Komitee rät aber strikt davon ab und schreibt vor, in solchen Fällen erst einmal abzuwarten und zu beobachten.

Interessant ist, dass sich beide Gremien, also die amerikanischen und die britischen Psychiater, im Wesentlichen auf dieselben Studien berufen - aber dennoch zu ganz unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Was soll ein Arzt also machen? Wenn er zudem an Weiterbildungen teilnimmt, die so gut wie immer von der Pharmaindustrie gesponsert sind, wo dann jemand kommt, der ein Loblied auf die Medikamente singt.

Finanzielle Interessenkonflikte sind ein sehr großes Problem

 Inwiefern spielen finanzielle Interessenkonflikte, von denen man immer wieder hört, hier eine Rolle?

Michael P. Hengartner: Diese sind ein sehr großes Problem. Man weiß heute, dass die Meinungsführer in der Psychiatrie stark von den Geldern der Pharmaindustrie abhängig sind. Manche von ihnen haben Verbindungen mit sechs bis acht verschiedenen Unternehmen.

In Einzelfällen ist belegt, dass es um mehrere hunderttausend Dollar geht, die jemand innerhalb weniger Jahre mit Vortragshonoraren, als Berater und in anderen Funktionen verdienen konnte. Manche halten sogar Anteile der Unternehmen, deren Produkte sie eigentlich unabhängig und neutral untersuchen sollen. Solche Leute und deren Mitarbeiter produzieren dann Ergebnisse, die die Regulierungsbehörden erfordern, um die Medikamente auf dem Markt zuzulassen.

Dazu kommt, dass die Pharmaindustrie in der Breite viele der Studien finanziert. Auch Kongresse und Weiterbildungen werden finanziell unterstützt und mit medikamentenfreundlichen Inhalten versehen. Wie soll dann eine neutrale, kritische Meinung, wie wir sie von der Wissenschaft erwarten, noch möglich sein?

Eine Anekdote hierfür: Marcia Angell, früher Chefredakteurin des New England Journal of Medicine, eine der führenden medizinischen Fachzeitschriften, suchte einmal einen bekannten Psychiater ohne Interessenkonflikt. Dieser sollte einen Leitartikel zu einem bestimmten Forschungsthema verfassen. Es war aber so gut wie unmöglich, unter den führenden Persönlichkeiten des Faches so jemanden zu finden.

 Es gibt aber auch Patienten, die felsenfest davon überzeugt sind, dass die Medikamente ihnen geholfen haben. Wie erklären Sie sich solche Fälle?

Michael P. Hengartner: Wie gesagt, Antidepressiva sind psychoaktive Substanzen, die haben durchaus psychische und körperliche Effekte. SSRIs beispielsweise wirken bei einigen Menschen aktivierend. Das können manche Patienten, die etwa unter Lethargie leiden, als sehr hilfreich empfinden.

Bei anderen kann diese Aktivierung aber auch zu innerer Unruhe, zu Gedankenrasen und Schlaflosigkeit führen. Ich bezweifle nicht, dass Antidepressiva wirken, sondern dass sie spezifisch anti-depressiv wirken. Zudem denke ich, dass diese Effekte längerfristig schädlich sind.

Davon abgesehen ist allein schon die Überzeugung, dass man einen Wirkstoff bekommt, für viele Patienten beruhigend. Was oft nicht berücksichtigt wird, ist dass man zusätzlich zu dem Medikament auch Aufmerksamkeit bekommt, eine Hilfeleistung. Jemand erkundigt sich nach den Symptomen.

Allein das führt oft schon zu einer Besserung. Wahrscheinlich hätten viele Patienten, denen man an Stelle eines Antidepressivums ein Placebo gegeben hätte, ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. In der klinischen Praxis wird das aber aus ethischen Gründen nicht durchgeführt.

Alternativen für die Forschung und die Therapie

 Und zum Schluss: Ihre Zusammenfassung der Forschung zeichnet ein eher düsteres Bild der Psychiatrie und Psychopharmakologie. Haben Sie eine Idee, wie eine bessere Alternative aussehen könnte?

Michael P. Hengartner: Ich denke vor allem, dass die Pharmaindustrie nicht länger die Wirksamkeit ihrer eigenen Medikamente bestimmen dürfte. Stellen Sie sich vor, eine Fußballmannschaft dürfte selbst den Schiedsrichter stellen! Jedem leuchtet unmittelbar ein, dass das System Sport so nicht funktionieren würde.

Warum ist es in der Wissenschaft dann anders? Es müsste eine vollständig unabhängige Instanz geben, die die Studie von Anfang bis Ende durchführt und publiziert. Das heißt insbesondere, dass das Ausmaß der Abhängigkeit von der Pharmaindustrie, das leider eine katastrophale Dimension erreicht hat, reduziert werden müsste.

Die Interessenkonflikte beginnen schon dort, wo Fachleute sich Gedanken machen, wie man psychische Störungen überhaupt definiert und diagnostiziert. Im Ergebnis werden mitunter aus Trauer oder Stressbelastung aufgrund kritischer Lebensereignisse psychische Störungen gemacht, die dann pharmakologisch behandelt werden. Auch die Behandlungsrichtlinien dürften nicht von Leuten aufgestellt werden, die für Nebentätigkeiten tausende oder gar hunderttausende Dollar von der Pharmaindustrie bekommen haben.

 Das ist immer noch sehr aus der Perspektive von Fachleuten gedacht. Können Sie etwas mit Blick auf die Patientinnen und Patienten empfehlen?

Michael P. Hengartner: Es ist wichtig, Patienten und Ärzte für das Thema zu sensibilisieren. Gerade bei milden Depressionsformen gibt es Alternativen zur Verschreibung von Psychopharmaka. Außerdem werden mehr als die Hälfte der Psychopharmaka an Leute verschrieben, bei denen überhaupt keine depressive Störung diagnostiziert wurde.

Bei solchen Personen oder bei milden Formen der Störung sollte man eher an soziale oder psychologische Interventionen denken. Keinesfalls sollte man die Medikamente als "Glückspillen" missverstehen. Es ist doch frappierend, wenn inzwischen in den USA rund 20 Prozent der Frauen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren Antidepressiva verschrieben bekommen!

In vielen Fällen geht es schlicht um Überlastung, Frust oder Stress. Dann sollte man sich auch die Lebensumstände anschauen, die Schlafhygiene, die Ernährung. Man weiß auch, dass körperliche Aktivität und Sport für viele Menschen eine Hilfe sein können. Das sollte bei milderen Formen der Probleme der erste Ansatz sein.

Und selbst bei schweren Depressionsformen hat sich Psychotherapie als wirksame Alternative zu den Medikamenten erwiesen. Vor allem längerfristig scheint die Psychotherapie der medikamentösen Therapie überlegen zu sein und hilft beispielsweise auch dabei, wieder eine Arbeit zu finden, was Medikamente nicht können. Zudem kann Psychotherapie keine schwerwiegenden körperlichen Störungen verursachen. Das ist ein großer Vorteil.

Samstag, 25. November 2017

Buchtipp : Fassadendemokratie und der tiefe Staat

 
 
Liebe Leser,
 
wenn Sie sich mal gefragt haben, wie es möglich ist. dass unsere Regierung korrupte Unternehmen deckt und selbst dann nichts unternimmt, wenn ihr kriminelle Verstöße gegen Gesetze zum Schutz der Bürger bekannt sind, dem sei das folgende Buch empfohlen.
 
 Es wird anhand einiger Fallbeispiele gezeigt, dass unsere Demokratie nichts als Fassade ist.
Das eigentliche Sagen haben nicht die Politiker sondern ganz andere, die aber im Hintergrund wirken.
" Die, die gewählt sind, haben nichts zu sagen und die, die was zu sagen haben, werden nicht gewählt". Dieses Zitat stammt von keinem anderen als Horst Seehofer.
Unsere repräsentative Demokratie wurde erfunden, um bei  den Bürgern die Illusion einer demokratischen Mitsprache aufrecht zu erhalten, wie Mausfeld schreibt.
 
Viel Spass beim Lesen!
 




Buchtipp:


Literatur
Ullrich Mies, Jens Wernicke (Hg.): Fassadendemokratie und tiefer Staat. Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter
Das marktgetreue Grinsen
Buchtipp von Harry Popow
Was denn? Das Volk sei unfähig, Politisches zu durchschauen oder gar mitzuregieren? Liest man dies im Buch „Fassadendemokratie“, dann ist man baff erstaunt, wie die politische Gehilfin der ökonomischen Macht – zum Beispiel kurz vor der Bundestagswahl in der Wahlarena stehend - die ausgesuchten Diskutierer geradezu vereinnahmend angrinste, weiß sie doch diese nicht nur als Wähler, sondern vor allem auch als politische und ökonomische Konsumenten zu schätzen. Und so konnte die marktgetriebene Kanzlerin mit ihrem berühmten „weiter so“ im Interesse des „Wachstums“ und des „Wohlstands“ auch recht kritische Fragen der Leute mit lächelndem Gesicht sachkundig beantworten. Keiner der Fragenden brachte die Repräsentantin in Verlegenheit mit Fragen nach Mieten, Gesundheit, Krieg und Frieden, Austritt aus der NATO. Das Volk erlag wie üblich den Floskeln und versprochenen Pflästerchen auf Symptome. Die möglicherweise weiter und tiefer gehenden Fragen der Gemüter wurden so gestillt. Die Rede ist von dem soeben erschienenen, politisch schwergewichtigen Buch mit dem Titel „Fassadendemokratie und tiefer Staat. Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter“ - herausgegeben von Ullrich Mies und Jens Wernicke. Auf 272 Seiten lassen insgesamt 17 Autoren aus verschiedenen Blickwinkeln die Leser hinter die Kulissen des nach dem Zusammenbruch des Sozialismus sich erneut austobenden multinationalen Oligarchenkomplexes schauen, das sich aller Mittel des Klassenkampfes, des Finanzsystems sowie der Geheimdienste und des global operierenden Militärs bediene. (S. 11)
Interessant, mit welchen Sichten die Autoren der Realität zu Leibe rücken, hier in Stichworten: Der global agierende Oligarchenkomplex, die repräsentative Demokratie, die alternativlose Nichtdemokratie, die Förderung der Anpassung, die Kernelemente des Tiefen Staates, die zunehmend privaten Kapitalakteure, die USA als Supermacht, die Amerikanisierung der Bundesrepublik, das EU-Parlament ohne Budgetrecht, geheime staatliche Parallelstrukturen, das Schüren der Angst, das Ziel der Neuen Weltordnung, der Wandel der Bundeswehr, das Wirken der Public-Relations-Agenturen, die Dämonisierung Russlands sowie der Irrglaube, von so genannten westlichen Demokratien gingen keine Kriege aus.
Bevor wir auf die Methoden, Tricks, Täuschungen und Lügen zu sprechen kommen, die die Hasen zum Laufen bringen, erhellen die Autoren im besagten Buch die Hintergründe einer den Wünschen und Sehnsüchten des Volkes entgegen gesetzten Politik unter dem Deckmantel der Demokratie. 
Die Angst regiert das Agieren
Der Kapitalismus sehe am Tatort kompliziert, widersprüchlich und verworren aus, er sei „nicht so leicht zu entlarven“. Dies schrieb der russische Schriftsteller Daniil Granin in seinem Buch „Garten der Steine“, Verlag Volk und Welt Berlin 1973, auf Seite 71. Und tatsächlich: Im Jahre 2017 fällt es manchem Bürger angesichts des demagogischen Geschreis von wegen Demokratie, Frieden und Wachstum im Interesse des Maximalprofits, der Verteidigung so genannter westlicher Werte – „uns geht es doch gut“ - durchaus schwer, hinter den Maskeraden die wahren Interessen des Kapitals zu entdecken.
Die Angst geht um unter den Kapitaleliten: Nicht nur seit der Oktoberrevolution, auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Bereits 1947 meinte Trumans Chefideologe George Kennan, Moskau müsse man wirtschaftlich und militärisch in den Ruin treiben. (S. 250) Erst recht nach 1989: Es ist erwiesen, dass die USA mit Bush an der Spitze davon ausgingen, nun sei mit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus das Ende der Geschichte gekommen. Nun herrsche mit den USA als Hegemon eine allgemeine Ausgeglichenheit unter den gleichartigen Mächten, nur diejenigen, die diesen Burgfrieden stören und mit dem Marktgetriebe nicht mithalten können, seien aus der Schusslinie zu nehmen, sie seien eben Schurkenstaaten. Seit der neoliberalen Ideologie der NEUEN-WELTMACHT-ORDNUNG sei der Wohlstand für alle ausgebrochen. Man spreche deshalb vom ewigen Frieden, von Klassenharmonie, vom Ausgleich der Interessen zwischen OBEN und UNTEN. In einem Dokument, das vom stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz unter Rumsfeld vorbereitet wurde, sei es das wichtigste Ziel zu verhindern, „dass ein neuer Rivale entsteht“. (S.34) Der US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama stellte fest, die traditionelle Gegnerschaft der Linken zum Kapitalismus und Imperialismus sei aufgelöst und der Weg zu einer Welt ohne Krieg sei frei. (S. 206) Es gäbe keine „weltpolitischen oder ideologischen Widersprüche mehr, Demokratien würden untereinander keine Kriege mehr führen, Waffengewalt würden nur gegen die Störer der Neuen Weltordnung nötig sein. Es gäbe keine ideelle Alternative zur neoliberalen Marktwirtschaft und der marktkonformen Demokratie. Man befände sich in einer Neuen Weltordnung, soziale Ungleichheiten würden „durch das Wirtschaftswachstum und über das Vehikel der neoliberalen Globalisierung der Finanz- und Waren Märkte überwunden werden“. (S. 207) 
Diese unglaubliche, aber im Interesse der Kapitalmächte durchaus verständliche Verkehrung der Realitäten – wie geistesverwandt doch mit der Bundeskanzlerin Merkel, lässt die gesamte Propaganda der westlichen Wertegemeinschaft in einem glasklaren Licht erscheinen: Es gibt keine Ausflucht aus dem Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung. Wer daran rüttelt, ist ein Störer, ein Gefährder.
Auf Seite 99 finden wir eine Definition des Tiefen Staates: Er bestehe nicht nur aus der gesamten Regierung, er sei „eine Mischung aus nationalen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden plus Schlüsselkomponenten anderer Regierungszweige“. Auf Seite 42 heißt es, er sei, bezogen auf die USA, „eine Mischung aus nationalen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden, dem Verteidigungs-, Außen- und Justizministerium, dem Ministerium für Innere Sicherheit, der CIA und dem Finanzministerium.
Die Tricks der Superreichen
Die Propagandamaschinerie arbeitet mit Methoden, die man als verbrecherische Tricks bezeichnen kann. Es ist den Autoren dafür zu danken, dass aus den oben genannten Gründen klar hervorgeht: Dem so dienenden Gemeinwohl geht es in der Politik „vorrangig um den Schutz der Eigentumsordnung und dass bei der Wahl der politischen Repräsentanten der Meinung der Bürger kein besonderes Gewicht zukommen könne. Die Eliten wüssten besser, was für das Volk gut sei, als das Volk selbst“. (S. 51) Beim Umverteilen von unten nach oben sei Demokratie im Wege, ja der Hauptfeind. (S. 59)
So ist erklärlich, dass die Manipulation des Volkes mit allen Mitteln dazu dient, lediglich die „lösbaren“ Symptome der Widersprüche zu benennen, ja, die Arbeitslosigkeit als „Ergebnis von Faulheit“, die Arbeitslosen als „Humanschrott“ zu diffamieren. (S. 75) Und wörtlich: „Alle Techniken der Ausgrenzung, Demütigung, Manipulation, Denunziation, Entsolidarisierung, Indoktrination, Propaganda sowie der psychologischen Kriegsführung werden eingesetzt, um die herrschende Eigentumsordnung zu zementieren.“
Wer kennt sie nicht, diese Schlagwörter, die dazu dienen, den Kapitalismus zu erhalten, ihn in anderen Ländern zu installieren, Deregulierungen und Privatisierungen durchzusetzen: Demokratie, Menschenrechte, Wohlstand, Recht und Freiheit. (S. 37) Propaganda im Interesse der Elite habe viele Gesichter. So auf Seite 238: Sozialtransferempfänger seien Schmarotzer, Arme seien selber schuld, das Morden im Kriegsfall wird als Kollateralschaden bezeichnet, Krieg durch das Wort Friedenserzwingung ersetzt. Auf Seite S.53 lesen wir: Man verspreche sozialstaatliche Verbesserungen und erhalte die Hinnahme kapitalistischer Produktionsverhältnisse. (Klassenkompromiss.) S. 56/57: Umwandlung von Demokratie in Anpassung. Entlastung des Staates von Beiträgen zu Gemeinschaftsaufgaben u.a. durch Steuergesetzgebung unter dem Deckmantel wie „Strukturreformen“ oder „Bürokratieabbau“. S. 65: Die Märkte als das alternativlose Heilversprechen. Seine dienstbereiten Gehilfen: Anwaltskanzleien, Beraterfirmen, Think Tanks, Politiker, Sonderpolizeien, Paramilitärs, Geheimdienst, Militär, NATO, Public-Relations. Mittel der Macht: Manipulation, Fake-News, Lügen, Indoktrination. S. 71: Die Sicherung der Herrschaft des Kapitals: Bankenmacht, so z.B. FED, Wall-Street, IMF, Weltbank, WTO, EU, BIZ, EZB, Bilderberger Konferenzen, Münchener Sicherheitskonferenz, Stiftungen, Freihandelsabkommen. Ziel: Sicherung des Privatvermögens. S. 81: Die Schulen werden mit Management-Instrumenten geführt statt nach pädagogischen Kriterien. Statt geistige Selbstständigkeit Anpassung. Jedoch „Auf den Faktor Mensch, der den sterbenden Patienten streichelt, kann man dennoch nicht verzichten.“ Deshalb sprießen zur Unterstützung der ehrenamtlichen Arbeit in Deutschland Freiwilligenagenturen aus dem Boden, ebenfalls in Personalunion mit Vertretern von Regierungen. (S. 152) Ein weiteres Problem, auf das viele hereinfallen: Die Vielfalt, sprich der Pluralismus, wird gepriesen „und nicht mehr die Gemeinsamkeit gegen das Kapital“. (S. 216)
Wie weiter, was tun?
Natürlich fühlt sich der Bürger in diesem Staat nicht eingesperrt. Aber wenn man die eingegrenzte politische Sicht der im Wahlkampf stehenden Leute – sprich Politiker – sieht, mit Ausnahmen, dann macht man sich schon Gedanken, wie weit sie überhaupt in der Lage sind, aus der eingeengten Kapitalherrschaft einen Ausweg zu sehen. Das scheitert weitgehend schon daran, dass mit Hilfe der Massenmedien kaum jemand etwas ahnt vom Tiefen Staat, vom „zunehmend totalitären Spätkapitalismus“. Dieser bediene sich „der Hülse der repräsentativen Demokratie nur noch, um die eigentlichen Zentren politischer Macht für die Öffentlichkeit unsichtbar zu machen“. Die Ruhigstellung der Öffentlichkeit sei beunruhigend. „Politische Veränderungsbedürfnisse der Bevölkerung können sich dadurch nicht mehr auf die Zentren der Macht richten, sondern nur noch auf Ablenkziele, womit sie politisch ins Leere laufen.“ (S. 61)
Wie dem also entgegenwirken? Bei dieser hohen Dichte an Substanz in diesem Buch über die Maskierung der Demokratie stellt sich die dringende aktuelle Frage, wie bei dieser außerordentlichen Kaltstellung und Verdummung der Bürger eine Umkehr zu erzwingen sei? Eine Kraft, die dem Kapital die Stirn bietet? Man denke dabei nicht nur an die zahlreichen kleinen oder großen Demonstrationen, an die Proteste gegen Miethaie, gegen Kriege und Aufrüstung...
Es gilt nach wie vor die Frage nach dem WAS TUN, um die Macht der Geldeliten zu brechen. Sicher, die Lösungsansätze der Autoren sind auch nur Gedanken und Anregungen zum Weiterdenken: „Die Menschen müssen lernen, sich aktiv einzumischen, über völlig neue politische Modelle und Systeme direkter und repräsentativer Demokratie nachzudenken, wenn sie Zukunft positiv gestalten wollen“, heißt es auf Seite 77. Mit jedem neuen jungen Menschen sei die Möglichkeit zu einer anderen, besseren Welt gegeben, so hofft ein anderer Autor auf Seite 94. Für die Abschaffung der kriminellen Machtkonzentration des Finanzsystems plädiert ein anderer Mitstreiter. Um den Desinformationen zu entkommen sollte man „auf die eigene Erfahrung und den eigenen Kopf setzen“, so ein nächster und vernünftiger Rat. Dabei möge man sich auch bei Alternativmedien informieren. (S. 244) Wie wärs, auch mal die mitunter sehr gesellschaftskritische Sachliteratur zu lesen, meint der Rezensent.
Der große Wert dieses kritischen Buches über die „Fassadendemokratie“ besteht in der durchgängigen Polemik gegen die Verdummung im Interesse des Kapitals. Es macht durch den scharfen Blick hinter die Kulissen der Macht das riesige Geflecht der Massenbeeinflussung in Richtung Anpassung an die Bedingungen des Marktes, und nur des Marktes, sichtbar. Es zeigt vor allem die ideologischen Hintergründe der Offensive gegenüber jeglichen Störern des Kapitalsystems. Im Ergebnis der angeblichen Vollendung der Geschichte und der Alternativlosigkeit des kapitalistischen Systems werden die Bürger, vor denen man riesige Angst hat, abgehalten, auch nur im Traum an grundlegenden Veränderungen zu denken. Hoch im Kurs stehen deshalb lediglich die Aufdeckung von Symptomen des Systems, denen man dann nur – je nach Bedarf - ein Pflästerchen aufzudrücken braucht, mehr Polizei, mehr Überwachung, paar Cent mehr für Pflegekräfte und, und, und... 
Unter diesen Bedingungen der absoluten Herrschaft des Marktes - das verdeutlicht „Fassadendemokratie“ - bleibt das Menschliche, das friedliche Miteinander, immer mehr auf der Strecke. Und damit der Mut eines Neubeginns. Fragt niemand mehr – siehe die Wahlrunden - nach dem Warum und Wofür und Wohin? Sind Inhalte nicht mehr gefragt? Triumphieren Oberflächlichkeit, Belanglosigkeiten, substanzloses Gerede wie Freiheit, Demokratie, Verantwortung in der Welt übernehmen? Nach dem Lesen dieses so inhaltsreichen Buches werden hoffentlich mehr Lesern erkennen: Ohne Maskierungen hat das Kapital keine Chance. Es braucht die Täuschung, die Schminke. Doch man könne den Hintern schminken wie man will, es wird kein ordentliches Gesicht daraus, so zitiert Kurt Tucholsky in „Schloß Gripsholm“ seinen Freund Karlchen. 
Fassadendemokratie und Tiefer Staat
Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter
Herausgegeben von Ullrich Mies und Jens Wernicke
Mit Beiträgen von Jörg Becker, Daniele Ganser, Bernd Hamm, Hansgeorg Hermann, Hannes Hofbauer, Jochen Krautz, Mike Lofgren, Rainer Mausfeld,
Ullrich Mies, Hermann Ploppa, Jürgen Rose, Werner Rügemer, Rainer Rupp, Andreas Wehr, Wolf Wetzel und Ernst Wolff
Promedia-Verlag Wien, 2017
Taschenbuch, 240 Seiten, 19,90 Euro
Siehe auch:
Fassadendemokratie und Tiefer Staat
Von Ullrich Mies und Jens Wernicke
NRhZ 623 vom 26.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24019
Aus dem neu erschienenen Buch "Fassadendemokratie und Tiefer Staat"
Das Ende der Demokratie – wie wir sie kennen
Von Bernd Hamm
NRhZ 628 vom 13.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24133
Aus dem neu erschienenen Buch "Fassadendemokratie und Tiefer Staat"
Die Privatisierung des Staates - Das Vorbild USA und sein Einfluss in der Europäischen Union
Von Werner Rügemer
NRhZ 629 vom 20.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24167
Online-Flyer Nr. 629  vom 20.09.2017
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Dienstag, 31. Oktober 2017

BBC panorama documentary: A prescription for murder, July 2017

http://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-sh/aurora_shooting#james-holmes-78192

The Batman Killer -
a prescription for murder?


 

James Holmes, a young man with no record of violence, murdered 12 people watching Batman in a Colorado cinema in 2012.

Did an SSRI antidepressant, prescribed by a doctor, play a part in the killings?

He slumps wild-eyed across the desk from detectives, with a mess of badly dyed red hair, his clothes hanging off him.
James Holmes looks every inch the monster who coldly executed 12 innocent people and injured dozens more at a midnight screening of the Batman film, The Dark Knight Rises.
Holmes had carried out the killings with an arsenal of weaponry he had accumulated in the preceding weeks. He had planned the shootings down to the tiniest detail, even booby-trapping his own apartment with home-made bombs to divert police resources while he launched the attack.
Watching a recording of his interview at the police station, conducted just hours after he carried out one of the worst mass shootings in recent US history, who could feel anything but loathing for this callous 24-year-old graduate student? When asked how to spell his surname, Holmes cockily replies, “Like Sherlock”.
When left alone with paper bags on his hands to secure forensic evidence, he’s caught on camera using them to talk to one another, like sock puppets.
The only hint he may have some inkling of what he’s just done is when he asks a detective, “There wasn’t any children hurt?” In fact, six-year-old Veronica Moser-Sullivan was the youngest of Holmes’s victims that night in July 2012 - killed as she watched the movie premiere with her mother at the packed cinema in Aurora, Colorado.



Americans have become wearily accustomed to mass shootings. Usually, in the days and weeks that follow, some kind of warped explanation emerges - be it terrorism, revenge or a predisposition to violence. It’s highly unusual for the perpetrator to be taken alive. Usually they are killed or kill themselves at the scene.
Holmes survived, and as the evidence stacked up it looked like another tragic collision of mental breakdown with America’s lax gun laws.
Holmes's Glock 22 Pistol photographed on the bonnet of his car
Holmes's Glock 22 Pistol photographed on the bonnet of his car
Why else would a clever, shy guy with no history of violence, from a loving home, carry out such a heinous attack? Holmes had no enemies, no terrorist ideology to drive him on.
But the student had been seeing a psychiatrist at the University of Colorado Denver and this was no barrier to him buying a handgun, tear gas, full body armour and a semi-automatic rifle.
 .223 M&P rifle photographed outside the cinema
 .223 M&P rifle photographed outside the cinema
Before he faced a court of law, Holmes was evaluated by a number of psychiatrists. No two doctors reached exactly the same conclusion. There were diagnoses of schizophrenia, schizoid personality disorder, schizotypal disorder – or no diagnosable disorder at all. Some thought Holmes couldn’t legally be held responsible for his crime, on grounds of insanity. Others disagreed, arguing he still knew right from wrong when he carried out the shootings.
When these questions came before a jury two years ago, the verdict was unanimous. Holmes was found guilty on all counts of murder and multiple counts of attempted murder.
Judge Carlos Samour Jr said:
It is the court’s intention that the defendant never set foot in free society again. Get the defendant out of my courtroom please.”

He was led from the dock to jeers of “loser”, as his bewildered parents Bob and Arlene looked on, to begin one of the longest prison terms in US history - 12 life sentences plus 3,318 years in prison. He only narrowly escaped the death penalty.
 

 
Holmes is being held in solitary confinement at a maximum security prison in an undisclosed state, because the nature of his crimes make him a target for other prisoners. That’s how he will spend the rest of his days.
Like any other casual observer skimming over the court reporting online, I thought justice had been done, and that this was where Holmes’s story ended. Then I spoke to psycho-pharmacologist and long-time campaigner on the potential dangerous side effects of antidepressants, Prof David Healy.
Healy had been hired as an expert witness in the James Holmes case and had visited him in jail before the trial. The public defender appointed to represent Holmes wanted Healy to evaluate whether the antidepressant sertraline (also known as Lustral in the UK and Zoloft in the US), which Holmes had been prescribed, could have played a role in the mass murder.
Prof David Healy
Prof David Healy
     
I have worked with David Healy in the past on a number of investigative films for the BBC’s current affairs programme, Panorama.
These films revealed cases where people with no previous history of suicidal thoughts or violence went on to seriously harm themselves or others after being thrown into a state of mental turmoil by the newer generation of SSRI antidepressants, such as paroxetine and fluoxetine.
Before meeting Holmes, Healy doubted the pills had played a part. But by the end of his prison visit he had reached a controversial conclusion.
He was never called to give evidence at the trial of James Holmes, but he told me in August 2016 that he would have told the court:
These killings would never have happened had it not been for the medication James Holmes had been prescribed.”
David Healy


 
SSRIs are thought to work by boosting serotonin levels to the brain.
Stephen Buckley, from mental health charity Mind, says:
Millions of people take SSRIs and other antidepressants and many find them useful in managing their mental health problems. Side effects from medication can be serious but it’s important to recognise that severe side effects are incredibly rare.”

He adds that no-one should stop taking medication suddenly, without advice from a health professional.
“If anyone is concerned that they may be experiencing harmful side effects they should speak to their doctor or pharmacist about alternatives.”
Prof Wendy Burn, president of the Royal College of Psychiatrists, says: “In all treatments – from cancer to heart disease – medicines which do good can also do harm. This applies in psychiatry. Current evidence from large-scale studies continues to show that for antidepressants the benefits outweigh the risks.”
David Healy maintains that while antidepressants can be a lifesaver for some, for others they can cause more harm than the original problems they were prescribed to treat.
But what makes a young man plan over months a mass shooting, then carry it out with cold precision? Could antidepressants possibly do that?


‘He was too good’


Arlene and Bob Holmes sat through every day of their son's trial but rejected all approaches to talk in public about their son out of respect for the victims and their families.
However, a book that Arlene wrote, When the Focus Shifts: The Prayer Book of Arlene Holmes 2013-2014, gives an insight into her thoughts in the run-up to the trial in April 2015.
 
Arlene and Bob Holmes arrive at the court building
 
Arlene and Bob Holmes arrive at the court building
In one section, she describes the effects of taking the lowest dose of an SSRI antidepressant in March 2014:
I have become fatter, ‘flatter’, dumber, number. Less tearful, yes. Unfortunately, less of everything. The sunset and the beach no longer lift my spirits.”

She continues: “I sit through church service and sift through the Bible, uninspired. I’m fuzzy. Weird dreams. Crying used to be a release. Now I cannot cry, or laugh. I hate this feeling.”
Arlene Holmes, a nurse, wrote that she stopped taking the pills before the trial, telling her doctor she wanted to be able to feel things and to cry if she wanted to.
If she had a bad experience with an SSRI antidepressant, what would she make of David Healy’s view of her son’s case?
I contacted the couple’s lawyer explaining my own background in investigating antidepressants and suggesting that Arlene and Bob Holmes might hold information that could, ultimately, help prevent future tragedies.
A few weeks later an email from Arlene dropped into my inbox. Short and to the point, it requested more information and asked me not to share her contact details with anyone.
“Some people bear my family ill will,” she wrote.
When we finally spoke on the phone, it became clear Arlene and Bob had never seriously considered the effect antidepressants might have had on their son’s behaviour. In fact, they hadn’t even known of David Healy’s involvement as a pre-trial expert witness.
Persuaded that exploring their son’s case in depth may ultimately help others, they reluctantly agreed to a filmed interview. It wouldn’t help their son - they know he will spend the rest of his life in prison.


 

Approaching their low-rise detached home in a neat suburb of San Diego, what struck me was the sheer ordinariness - a man out washing his car, another mowing his lawn, kids playing baseball in the park. Inside, the Holmes’ house is modest, understated – just like Arlene and Bob.
“We are an introverted family,” says Arlene. “We are not showy but we like having people around. We care about the larger picture in society and we are Christians, we go to church.”
If you had told me this would happen to us I just wouldn’t have believed it.”
Arlene Holmes

The couple have struggled to understand how their boy could cause so much hurt and pain to others.
“Not in your wildest dreams would you think your son would shoot strangers,” says Arlene. “For someone who loved kids and dogs and always did his homework and his chores. You can’t believe it is possible for anyone to cause that much harm, let alone the man you raised.”
 

 
She says they never saw any signs of violence, and that her son had not shown any interest in drink or drugs.
“In retrospect, I think he was too good. Maybe I should have worried about the fact he was so good, but as a mother you can worry about just about anything.”
Bob Holmes, a retired statistician, is a man of few words.
“He was never interested in guns or really even a violent kid, that’s why it was surprising. It came out of nowhere. He seemed happy enough, just pretty much a normal everyday kid growing up, so...” Bob’s voice trails off as though he can’t bear to finish the thought.
They say there had been ups and downs along the way but little to mark them out from any other family.
They moved home when James was 13 and he found the transition hard. He was quiet but he had friends and took part in sports. He cruised through his academic work at school and, later, as an undergraduate.


Bob and Arlene speak about taking James to a counsellor: 
The first real hump in the road was when Holmes applied to six top universities to study for a doctorate in neuroscience. Academically bright, his shyness in interviews appeared to work against him. He was rejected by all of them.
“He came home and he just kind of didn’t do much of anything for a while, and he just kind of hung out,” says Bob.
Arlene says her son was sleeping a lot and not going out much.
“So I got mad and I said, ‘You are done with college, you need to do something.’”
Holmes took his mother's advice and found a job working night shifts in a pill factory while he applied to more universities.
In 2011, he accepted an offer to study neuroscience at University of Colorado Denver and started in the autumn. Not his first choice, says his mother, but it all seemed to be working out fine.
“He still was happy to be at Colorado, talked to us about eventually settling and he eventually borrowed money to buy a town house on the outskirts of Denver,” she says.
So when you hear something like that, the last thing in the world that you would ever think is that something as bad as a shooting could possibly happen. He was planning a future there.”


Very few of Holmes's former friends are willing to talk, but one – a young man who knew him well as an undergraduate – spoke to me on condition of anonymity. The Holmes he knew and liked was just as Bob and Arlene described - shy, polite, frugal and smart.
They used to play video games together – strategy games, not the violent kind, he says. There was the occasional beer, but no drugs, parties or girls.
“We were pretty nerdy,” he says.
Discovering someone he was close to could commit mass murder had been “a profound experience”. When he heard what his friend had done, he knew something must have happened to him.
“I still don’t know how to make sense of it,” he says.
 
Hillary Allen
 
Hillary Allen
     
Someone who spent time with Holmes in the crucial months before the shootings was Hillary Allen, a fellow graduate student on the neuroscience programme at CU Denver.
In class he didn’t really take notes, so that was something that made me jealous because I was vigorously writing notes down… it seemed like he got a lot of work done in his lab and he seemed very successful. I remember thinking like, ‘Wow, James is very smart, he’s very intelligent’”

Sometimes the friendship was hard work.
“He was kind of quiet and kept to himself. He did have a kind of a quirky sense of humour,” says Allen.
“We were part of a group of scientists so I think everyone’s a bit odd. Maybe he was a little bit more odd than the rest of us, maybe more socially awkward.”
Socially awkward. It's a phrase that comes up time and again to describe Holmes. It’s what led him to make contact with the university counselling department in the spring of 2012, just months before the shootings.
Cracks had started to appear in Holmes’s apparently effortless success. Over the Christmas break he was diagnosed with glandular fever. Tired and ill for the first couple of months of 2012, he kept going to classes, but his work was going downhill.
The shy and anxious Holmes found giving presentations in front of his classmates particularly hard.
His first proper relationship with fellow graduate student Gargi Datta had also come to an end. Datta didn’t want to speak to me, but according to Arlene Holmes the break-up hit her son hard.
I think he loved her. He did say that she wanted to still see him again, which he found difficult to understand since they were broken up

“It was a cordial break-up. That's the word he used, 'cordial'. They both parted as friends.”
It was Datta who suggested Holmes seek help at the campus student wellness centre. On 21 March 2012, James Holmes had his first appointment there with psychiatrist Dr Lynne Fenton.
Sifting through the mountain of court testimony and evidence, this date sticks out.
Does it – as the prosecution would argue – mark the point at which Holmes first acknowledges he’s struggling mentally in the perfect storm of his relationship breakdown, academic problems and long-standing social anxiety? A storm that explains why he decided he had nothing to lose and everything to gain from killing as many people as he could?
Or was that date significant - as David Healy would say - because it was the day Lynne Fenton prescribed to James Holmes the antidepressant, sertraline?
 


Mania

First page of Holmes's notebook

In his first meeting with Lynne Fenton, Holmes was hard to engage but described his anxiety around people. And during that 45-minute session worrying details emerged that he’d never talked about with his family.
Holmes said he was having thoughts of killing people three or four times a day.
Although it sounds alarming, Fenton didn’t regard him as dangerous at that point. The thoughts were abstract, there was no plan or, it seemed, any real intent. She prescribed the antidepressant sertraline to ease his anxiety and obsessive thoughts.
 
Holmes in custody
Holmes in custody
     
In later prison interviews with court-appointed forensic psychiatrist Dr William Reid, Holmes said he’d had intrusive thoughts like this since his teens. Not of actually killing people, rather of wishing them dead to escape from awkward social situations.
According to Reid, these kinds of intrusive thoughts are not uncommon.
“He wasn’t talking about a vengeful hatred,” he says. “He was talking about an aversion to mankind. Being around much of mankind was uncomfortable to him and it wasn’t very rewarding to him so he wanted to avoid it.”
With hindsight, it provides a clear motive, according to Colorado District Attorney, George Brauchler, who successfully prosecuted the case. He says Holmes had a long-standing hatred of mankind – that’s why he killed so many people.
As he puts it, Holmes was “evil”.
District Attorney, George Brauchler
District Attorney, George Brauchler
     
Brauchler says Holmes kept his evil desires at bay until it became clear he wasn’t going to get what he wanted to be happy.
He’s not going to get that PhD, he’s not going to find that woman to love and have that house with those two kids and the dog. And that’s when he turns his sights on this lifelong passion that he’s had to kill other people and that’s when we see him start to set these things in motion.”

It’s a persuasive argument, and one some experts, and ultimately the jurors, had no trouble in accepting. But the timeline of what happened between Holmes’s first prescription of sertraline and the shootings wasn’t explored at trial.
When you scrutinise that timeline, it raises serious questions about the role of the widely prescribed antidepressant.

Page from Holmes's notebook


Just before he carried out the shootings, Holmes posted to Fenton a notebook he had written in. At times rambling, it gives some contemporaneous insight into his troubled mind. Both William Reid and David Healy agree it’s a valuable piece of evidence.
Holmes wrote about the initial effects of going on sertraline.
No effect when needed. First appearance of mania occurs, not good mania. Anxiety and fear disappears. No more fear, no more fear of failure. Fear of failure drove determination to improve, better and succeed in life. No fear of consequences.”

The first evidence that his thoughts of killing were turning real came in an online conversation with Gargi Datta on 25 March, four days after starting on sertraline.
 

 
At Holmes's trial, Datta testified that at first she thought he was joking.
But as she challenged him, the details of his delusional theory spilled out.

 
This theory about increasing his so-called “human capital” by actually killing people was quite different to the abstract thoughts he'd had up until then about wishing people dead to get out of uncomfortable social situations.
Psychiatrists I’ve spoken to agree it was delusional, a sign of psychosis.
Datta was asked in court if he’d ever said anything delusional before this chat. She confirmed he hadn’t.
Forensic psychiatrist Dr Philip Resnick, from Ohio, was engaged as a prosecution expert. He was not called to give evidence at trial.
 
Dr Philip Resnick
Dr Philip Resnick
In his first interview on the subject, he told me the "human capital" conversation with Datta was a key moment.
“I don’t think we have evidence of a plan to do it [kill] with an intention to do it before the human capital theory,” he says.
Holmes went back to see psychiatrist Lynne Fenton two days after telling Datta about human capital but he didn’t mention it to her. He did tell Fenton the medication hadn’t helped his obsessive thoughts. She doubled the dose of sertraline from 50mg to 100mg.
David Healy believes this made Holmes’s mental state worse:
There’s every evidence that if the drugs are suiting a person that an increase in the dose might be helpful - and I use these drugs even though they can cause a problem.”

He adds: “But when they are causing a problem, increasing the dose is a recipe for disaster.”
Nearly a fortnight after the dose increase on 9 April, the previously shy and awkward Holmes made a move on his classmate, Hillary Allen. His texts to her became uncharacteristically bold. One hot day he messaged her about the clothes she was wearing in class.
“Oh Hillary, Why yuh gotta distract me with those short shorts...?”
“I remember receiving that and just like kind of blushing and being like, I don’t remember what I said, but kind of trying to laugh it off and just trying not to create an awkward situation,” she says.
For David Healy, this was further evidence of the effect sertraline was having on Holmes.
Aside from the fact that you have a guy who is now actively beginning to think and plan about harming others in a way that he just hadn’t been doing before, you have a change of personality. This is a totally different person.”

At his fourth appointment with Lynne Fenton on 17 April, Holmes told her his homicidal thoughts had increased, though he still didn’t tell her about his human capital delusion. Fenton’s notes of that meeting documented a decline in his mental state.
“Psychotic level thinking… Guarded, paranoid, hostile thoughts he won’t elaborate on,” she wrote.
Whatever effect the sertraline was having, it certainly wasn’t helping. Healy firmly believes the psychotic-level thinking Fenton noted was a consequence of the medication.
At this appointment, Fenton upped the dose to 150mg. At Holmes's trial she told the court this was the dose she had always been aiming for.
“It isn’t on her radar that this drug could be causing the kinds of problems that he’s having,” Healy says.
Fenton declined to be interviewed, but a statement from the University of Colorado Denver says patient-doctor confidentiality laws forbid her from talking about Holmes’s care without his consent, which he has not given.


The ‘mission’


By May, Holmes's “mission”, as he later described it, got real. He began spending large amounts of money accumulating
weapons. In the notebook he wrote:
Starts small. Buy stungun and folding knife. Research gun laws and mental illness. Buy handgun. Committed. Shotgun, AR-15, 2nd handgun…”

By this time, Holmes’s coursework had badly deteriorated. He gave a disastrous final presentation and then failed his exams. He was offered the chance to re-sit but on 11 June dropped out of university. Just before that, he had one last meeting with psychiatrist Lynne Fenton and her colleague.
Holmes's final presentation
Holmes's final presentation
     
They were so concerned by his state of mind at this appointment they offered to keep treating him free of charge, but Holmes refused. Fenton had the power to detain Holmes under a mental health hold, but she told his trial she felt there were insufficient grounds.
She did contact the campus security team to ask for criminal-record and weapon-permit checks. Holmes was given the all clear. He never told Fenton about the weapons he’d bought or the plans he was making.
Fenton also called Holmes’s mother.
“She said, ‘Do you know that he is not going to continue in school?’” Arlene tells me. “I thought that was the purpose of her phone call, and I said, ‘Did he ask you to call me?’ And she said, ‘No he didn’t want me to call you and he didn’t want you to worry.’
I was reassured by her phone call, rather than alarmed. I said, ‘My husband and I both work, we can pay you out of pocket to keep seeing him, I’m glad he’s getting some help for social anxiety.’ I didn’t know that she would never see him again, which is what happened.”
Arlene Holmes


Not only did he stop seeing Fenton, he also stopped taking sertraline. We can’t be sure exactly when he stopped but his final prescription would have run out around 26 June. The shootings were on 20 July.
For some experts who believe sertraline may have played a role in reducing Holmes’s fear of consequences and even prompted delusional thinking, this gap in the timeline prevents them from blaming the drug for what happened.
The fact that Mr Holmes was off it for three weeks even though he had the abrupt ending, means to me that it was unlikely, or I can’t say impossible, but played a very small role rather than a major role.”
Philip Resnick

The Royal College of Psychiatrists says: “Up to a third of people who stop SSRIs have withdrawal symptoms which can last between two weeks and two months… for a small number of people they can be quite severe.”
Prof Peter Tyrer, a UK-based expert on personality disorders who has been involved in evaluating the effectiveness of SSRI antidepressants since they first came on the market three decades ago, says stopping them suddenly is very unwise.
 
Prof Peter Tyrer
Prof Peter Tyrer
     
“It’s well established that you have a withdrawal problem and these adverse effects that you may have had even when starting the drugs. They all come back with a vengeance and if you’re still having them when you stop the drugs they come back even more strongly.”
He adds: “It can be six or seven weeks before the effects wear off, and in some cases – and this is one of the problems with these drugs – sometimes they last even longer than that.”
After stopping the drugs, Holmes started doing things he’d never done before. He dyed his hair red, created a profile on a swingers’ sex website, and started to draw detailed plans of the shootings in his notebook.
 
Holmes's internet dating profile photo
Holmes's internet dating profile photo
Holmes also visited the cinema in Aurora, and by the beginning of July went to a shooting range in the Rocky Mountains. There he began practising with the weapons he’d bought.
On 8 July, classmate Hillary Allen got some odd texts from him.
“The floodgates are open... It’s in your best interests to avoid me, am bad news bears,” Holmes wrote.
“The next time I actually heard about James at all was when the shooting happened,” says Allen.
 
Holmes brandishing a gun and wearing dark contact lenses
Holmes brandishing a gun and wearing dark contact lenses
 
I was in complete disbelief that it was actually James. Then immediately my mind goes back to those messages and thinking like, ‘Oh my gosh,’ like this was real, like he was actually like really, really struggling with something.”

What Holmes was struggling with – mental illness, the side effects of his legally prescribed medication or a combination of the two – we may never know for sure.
I’ve found no evidence Holmes planned to kill before he took antidepressants and plenty afterwards to suggest his mental state went rapidly downhill.
Peter Tyrer says: “His symptoms were exactly right for giving sertraline... but with his underlying personality, with that sort of person... some of the underlying predispositions can come out more strongly, and in the case of Holmes these were very dangerous indeed.”
In a statement Pfizer, the company that developed sertraline, said: “Based on currently available scientific evidence, a causal link between the use of sertraline and homicidal behaviour has not been established. Sertraline has helped millions of patients diagnosed with major depression and anxiety disorders, including Obsessive Compulsive Disorder and Post-Traumatic Stress Disorder.”

 
Many people across the world report that antidepressants have been a lifesaver. But as ever-increasing numbers are prescribed, is it time to recognise that in a rare few cases they could actually contribute to murder?
It’s an emotive but important question and one the courts seem ill-equipped to handle. In the course of my research, I’ve found cases in the UK of people, with no previous history of violence, who killed or attempted to kill after taking SSRI antidepressants. The issue was not explored in court and they were jailed for their offences. The guilt and shame of what they’ve done prevents them from talking publicly.
Peter Tyrer believes the courts need to take more account of rare but serious side effects.
“Although it makes the whole process a bit more complicated, I think that is going to become necessary in the future,” he says.
Wendy Burn, of the Royal College of Psychiatry, says: “Any patient who is unsettled… should not abruptly discontinue their prescribed treatment. Instead, they should make an appointment with their family doctor or mental health professional to discuss any concerns they might have. They should together make a joint decision about whether to continue antidepressant treatment.
“This decision should be made on their own individual experience and should be informed by how effective their treatment has been in helping to reduce depressive and anxiety symptoms, any side effects which might have occurred, and the risks of a recurrence of illness, if treatment is stopped prematurely.”