Sonntag, 20. Oktober 2013

Buchtipp: "Pharmakrieg", von Roland Holtz



 

http://www.indiegogo.com/projects/pharmawars-pharmakrieg  



Liebe Leserinnen und Leser,


über die menschenverachtenden Praktiken von BigPharma, der großen pharmazeutischen Unternehmen, denen der Profit über Ethik und Moral geht, sind einige sehr gute Bücher geschrieben worden. Doch die meisten sind Sachbücher und nur in englischer Sprache erschienen.

Das Buch "Pharmakrieg" von Roland Holtz, das voraussichtlich Anfang 2014 erscheinen soll, ist hier eine rühmliche Ausnahme. Es ist ein dokumentarischer Roman und macht die unglaublichen Zusammenhänge in unserem Gesundheitssystem auch einem Laien verständlich. Vor einigen Wochen hatte der Spiegel darüber berichtet, dass westliche Pharmaunternehmen in der ehemaligen DDR klinische Tests an Patienten durchgeführt hatten ohne deren Wissen und ohne deren Einverständnis. Aber auch bei uns wurden und werden klinische Tests durchgeführt, häufig auch ohne dass wir hiervon etwas wissen. Man nennt diese Tests Anwendungsbeobachtungen, worunter sich die meisten Menschen gar nichts vorstellen können. Auch hiervon handelt das Buch.

In dem Buch, vom dem ich bisher nur die Leseprobe kenne, wird auch für jeden nachfühlbar beschrieben, wie viel unnötiges Leid und Schmerzen die Nebenwirkungen von Arzneimitteln verursachen können. Nebenwirkungen, das klingt harmlos und wie eine unwichtige Nebensache. Doch für die, die daran erkranken und schlimmstenfalls sogar versterben, sind die alles andere als nebensächlich. Häufig waren den Unternehmen die "Nebenwirkungen" schon lange bekannt, werden aber den Ärzte nicht selten verschwiegen. Äußern Ärzte ihre Bedenken, dann werden diese massiv unter Druck gesetzt, sie nicht öffentlich zu machen. Der Patient erfährt hiervon in der Regel erst Jahre später oder erst dann, wenn es schon zu spät war.

So war es auch bei mir und meiner Frau. Erst nach ihrem Tod habe ich erfahren, dass das Antidepressivum, das sie einnahm, das Suizidrisiko erhöht, insbesondere zu Beginn der Behandlung und bei Änderung der Dosierung. Von alledem stand jedoch nichts im Beipackzettel. Doch das Unternehmen Pfizer wusste hiervon schon, als das Mittel zugelassen wurde.

Der Titel des Buches "Pharmakrieg" dürfte manchem Leser vielleicht etwas martialisch vorkommen. Doch der trifft genau ins Schwarze. Denn wie es in der Pharmabranche zum Teil zugeht, erinnert in der Tat eher an Krieg denn an einen fairen Wettbewerb mit festen Regeln und Gesetzen. Jeder versucht hierbei ein möglichst großes Stück vom gesamten Gesundheits-Kuchen abzubekommen, - der in Deutschland etwa so groß ist wie der gesamte Bundesetat- und geht dabei notfalls auch über Leichen, ohne das dies die Politik oder Justiz interessiert. Denn da Gesetzesverstöße eines Pharmaunternehmens auch bei Anzeige nicht verfolgt werden und die verantwortlichen Manager in Deutschland bisher immer noch straffrei davongekommen sind, besteht auch kein ökonomischer Anreiz, sich an Gesetze zu halten. Im Gegenteil:

In dieser Branche kommt der am weitesten und erhält den größten Anteil vom Kuchen, der am aggressivsten vorgeht und sich wenig oder kaum um Gesetze schert. Und wenn dann doch einmal ein Pharmaunternehmen Schadenersatz leisten muss, dann ist dies Nichts im Vergleich zu den Gewinnen, die vorher gemacht wurden und vor allem anderen, steht es in keinem Verhältnis, zu dem Verlust, der den Menschen entsteht. Seit Jahren bemühen sich verantwortliche Politiker um einen Opferentschädigungsfond, aus dem Opfer von Therapiefehlern entschädigt werden können. Die Ärzteschaft, die Pharma- und die Versicherungsbranche wenden sich dagegen. Das kann sich, wie auch in Pharmakrieg geschildert wird, einmal bitter rächen.

Wenn es überhaupt Entschädigung gibt, dann werden sie als Kosten angesehen und die gehören einfach mit zum Geschäft. Kein Unternehmen würde sich hierdurch veranlasst fühlen, sein Geschäftsmodell zu ändern und sich künftig an die Gesetze zu halten. Dafür sind die Gewinne, die man erzielen kann, wenn man sich über sie hinwegsetzt, einfach zu groß und die Schadensersatzzahlungen nur kleine Reibungsverluste. Diese Strategie der Branche, so unethisch und menschenverachtend sie ist, ist nur eine logische Konsequenz unserer laxen Strafverfolgung und wenig effektiven Aufsicht bei Gesetzesverstößen. Und solange sich in der Rechtsprechung und Strafverfolgung nichts ändert, wird sich auch am Verhalten der Pharmaunternehmen nichts tun.
 

Dabei ist der Begriff Pharmakrieg ein Begriff aus dem Pharmamarketing selber, also keine Wortschöpfung von Roland Holtz. Das Wort „Pharmakrieg“ wird als Synonym für den Zustand verwendet, wenn zwei Pharmahersteller, die ähnliche Produkte haben, sich im Wettbewerb so stark beharken, dass der Vorgang vor Gerichten endet.

 
Dazu Roland Holtz: “ ...Ich wollte mit der Verwendung dieses Wortes als Buchtitel auf die Perfidie im Pharmamarketing aufmerksam machen. Der gesetzliche Auftrag an den Informationsbeauftragten (Pharmareferent u.A.) ist in § 74a des Arzneimittelgesetzes unter Bezugnahme auf § 8 desselben Gesetzes definiert.
 
1.       Es dürfen keine Eigenschaften beworben werden, die Arzneimittel nicht haben.
2.       Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass ein Erfolg mit Sicherheit zu erwarten ist
3.       Das bei längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten.
 
Nehmen wir nur diese Bestimmungen des Gesetzes, dann muss man feststellen, dass weit überwiegend Pharmamarketing nicht unter Anwendung dieser Paragrafen stattfindet, sondern unter systematischen Verstoß gegen eben diese Bestimmungen. Dies war der Grund für mich die Pharmaindustrie zu verlassen. Der Verstoß gegen diese Paragrafen ist strafbar und ich wollte mich nicht in die Reihe all derer einreihen, die sich auf Befehlsnotstand berufen. Auch ist es mein Überzeugung, dass die Verantwortung für das gesprochene Wort immer eine persönliche Verantwortung ist und ich mache keine Kompromisse auf Basis von Prinzipien.
 
Dazu zählen auch die Anwendungsbeobachtungen insbesondere deshalb, weil sie oft durchgeführt werden, ohne dass die Patienten davon erfahren. Das ist ein Verstoß gegen die Deklaration von Helsinki und damit ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Schlimmer geht es überhaupt nicht. Noch viel schlimmer ist, dass die Politik diesen Zustand deckt und insbesondere durch das Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen im Gesetzestext festgeschrieben hat. Es stellt sich folglich die Frage, ob die die Gesetze machen, das übergeordneten Recht sachgerecht interpretieren können...“



Der Autor des Buches, Roland Holtz, mit dem ich schon häufig telefoniert habe, war selbst lange Zeit Pharmareferent. Doch irgendwann wollte und konnte er die unethischen Praktiken nicht mehr mitmachen und quittierte den Dienst. Er hatte dann eine eigene Firma für unabhängige ärztliche Fortbildung gegründet, doch die konnte nicht überleben, da viele Pharmaunternehmen eigene Fortbildungsfirmen gegründet hatten, - was gesetzlich verboten ist - die für die Ärzte kostenlose Fortbildung anbieten. Die Kosten hierfür zahlen Sie und ich über überhöhte Medikamentenpreise. Seitdem engagiert er sich in vielen Projekten für mehr Transparenz im Gesundheitswesen.

Dieses Buch ist eines dieser Projekte. Es soll Anfang 2014 veröffentlicht werden. Doch für die Realisierung benötigt er dringend finanzielle Unterstützung. Bitte helfen Sie mit, indem Sie eine kleine Spende leisten. Folgen Sie einfach diesem Link:


http://www.indiegogo.com/projects/pharmawars-pharmakrieg .





Ich danke Ihnen, auch in seinem Namen.  


 

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Veröffentlichung klinischer Studiendaten: IQWiG unterstützt den Kurs der EMA



Der folgende Artikel wurde am 08.10.2013 im Juraforum veröffentlicht (Link:Juraforum)


Zugang zu vollständigen Studiendaten dient Forschung und Patienten Die europäische Zulassungsbehörde EMA (European Medicines Agency) erhält von Arzneimittelherstellern umfangreiche Daten aus klinischen Studien, auf deren Basis über die Zulassung neuer Arzneimittel entschieden wird. Um dieses Material der Wissenschaft und Entscheidungsträgern zur Verfügung stellen zu können, hat die EMA im Juni 2013 einen Entwurf für einen Leitfaden zur Veröffentlichung und Zugänglichmachung von Daten aus klinischen Studien vorgelegt. In seiner Stellungnahme vom 30. September begrüßt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) diesen Entwurf als großen Fortschritt.

Im Interesse der Patientinnen und Patienten

Wissenschaftliche Einrichtungen wie das IQWiG sind bei der Bewertung des Nutzens oder Schadens von Arzneimitteln auf klinische Studien angewiesen. Diese werden oftmals nicht oder nur unvollständig veröffentlicht. Der EMA legen die pharmazeutischen Unternehmen dagegen regelmäßig umfangreiche Studiendaten vor, auf deren Basis über die Zulassung entschieden wird. Nun möchte die EMA dieses Material auch Wissenschaftlern außerhalb der Zulassungsbehörden zur Verfügung stellen.

Das IQWiG wertet das Vorhaben als großen Fortschritt, weil es fundierte, patientenorientierte und praxisnahe Nutzenbewertungen unterstützt. Während in Fachzeitschriften – wenn überhaupt – oft nur handverlesene Studienresultate veröffentlich werden, enthalten die EMA-Dokumente auch detaillierte Angaben über die Methoden, über alle untersuchten Endpunkte und über die Zusammensetzung der Studienpopulationen.

Vollständige Daten sind unentbehrlich

„In unserer Arbeit stellen wir immer wieder fest: Weder Fachpublikationen noch andere öffentliche Dokumente reichen an den Informationsgehalt der vollständigen klinischen Studiendaten heran, wie sie der EMA vorliegen“, sagt Beate Wieseler, Leiterin des Ressorts Arzneimittelbewertung im IQWiG. „Daher sehen wir den EMA-Entwurf als großen Schritt in die richtige Richtung. Wir hoffen, dass sich die EMA von den alarmistischen Stellungnahmen der Industrie nicht von ihrem Kurs abbringen lässt. Die Alternativvorschläge der pharmazeutischen Industrie reichen nicht aus, um die bestehenden Probleme der mangelhaften Transparenz von Studienergebnissen zu lösen. Mancher will am liebsten alle Studiendaten zu Geschäftsgeheimnissen erklären. Wir reden hier aber über Studien an Menschen, die in der Hoffnung teilgenommen haben, dass mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse bessere Therapien entwickelt werden.“

Auch die Behauptung der Industrie, der Entwurf trage dem Patientendatenschutz nicht genügend Rechnung, wirke vorgeschoben: „Daten individueller Studienteilnehmer sind für viele wichtige Fragestellungen erforderlich, sie kommen gemäß den Vorschlägen der EMA aber strikt anonymisiert zum Einsatz.“

EMA-Informationsarchive für weitere Studiendaten öffnen

Allerdings ist es mit dem aktuell geplanten Zugang zu EMA-Daten nicht getan. „Die EMA kann uns und anderen Forschern bislang nur solche Studiendaten zur Verfügung stellen, die pharmazeutische Unternehmen bei den Zulassungsverfahren eingereicht haben“, erläutert Jürgen Windeler, der Leiter des IQWiG. „Daten aus Studien, die nicht zu einem Zulassungsantrag geführt haben, sind aber ebenso wichtig. Außerdem plant die EMA ausschließlich die Veröffentlichung von Studiendaten, die ab 2014 eingereicht werden. Die Mehrzahl der Arzneimittel, die wir heute einsetzen, wird damit nicht abgedeckt.“ Daher schlägt das IQWiG der EMA vor, ihre Informationsarchive auch für Daten aus klinischen Studien zu öffnen, die bereits früher eingereicht wurden oder die nicht zu einem Zulassungsantrag gehören.

Um weitere Informationslücken zu schließen, zum Beispiel in der Dokumentation von Studien zu nichtmedikamentösen Verfahren, hoffen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG auf eine Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlagen für klinische Forschung. Für die Arzneimittelforschung wird der Entwurf der EU-Verordnung „Clinical trials on medicinal products for human use“, der unter anderem eine verbesserte Transparenz von Studiendaten vorsieht, dem Europäischen Parlament in Kürze zur ersten Lesung vorgelegt. Ähnliche gesetzliche Regelungen sollten auch für Studien mit nichtmedikamentösen Verfahren geschaffen werden.

Weitere Informationen:
- http://www.iqwig.de

Quelle: idw

Dienstag, 15. Oktober 2013

Unterschriftenaktion All Trials

All Trials

Damit ein Medikament zugelassen werden soll müssen vom pharmazeutischen Unternehmen einige Studien vorgelegt werden, die die Wirksamkeit und Sicherheit belegen. Häufig müssen hierfür viele Studien  durchgeführt wurden, um nur einige wenige Studien zu erhalten, die das gewünschte positive Ergebnis erzielen.
Doch über die negativen Ergebnisse aus den restlichen Studien erfährt die Öffentlichkeit nichts, da diese nicht veröffentlicht werden müssen. Und so passierte es immer wieder, dass viele Jahre nach der Zulassung eines Medikamentes Risiken und Nebenwirkungen bekannt geworden sind und Patienten in ihrer Gesundheit geschädigt wurden, obwohl schon frühe Studien diese Risiken haben erkennen lassen. Sie wurden jedoch nicht früher bekannt, weil die pharmazeutischen Unternehmen an deren Veröffentlichung kein Interesse hatten. Damit diese bekannt wurden waren häufig jahrelange Gerichtsprozesse und Auskunftsklagen erforderlich, die die einzelnen Geschädigten oder deren Angehörigen und Hinterbliebenen anstrengen mussten, sofern sie die Kraft und finanziellen Mittel hierfür hatten.
Damit sich an diesem  Zustand etwas ändert hat das Europaparlament ein Gesetz geplant, wonach die pharmazeutischen Unternehmen dazu verpflichtet werden sollen, sämtliche Studien öffentlich zugänglich zu machen. Hiergegen regt sich jedoch massiver Widerstand auf Seiten der Pharmaindustrie und droht das Gesetz zu kippen.
Damit dies nicht geschieht haben namhafte Wissenschaftler und kritische Verbraucherorganisationen die Initiative AllTrials gegründet. Ihr Ziel ist es zu erreichen, dass sämtliche Studien zu zugelassenen Medikamenten öffentlich zugänglich gemacht werden müssen, nicht nur die der neu zugelassenen sondern auch der bestehenden Medikamente. Doch damit sie ihr Ziel erreicht und das Gesetz nicht verwässert wird braucht sie Ihre Unterstützung. Ich bitte Sie daher dem Link: AllTrials zu folgen und die Petition von AllTrials zu unterzeichnen. Denn nur wenn sich genügend Bürger dieser Aktion anschließen, werden wir von der Politik ernstgenommen und unser Ziel erreichen.
Denn wie hat es Abraham Lincoln einmal gesagt: " Man kann den Menschen einige Zeit etwas vormachen. Man kann auch einigen Menschen alle Zeit etwas vormachen. Aber allen Menschen alle Zeit was vorzumachen, das ist nicht möglich". Bitte helfen Sie mit, damit die pharmazeutischen Unternehmen uns nicht mehr jahrzehntelang was vormachen können, weil uns patientenrelevante Daten aus den klinischen Studien vorenthalten werden können.