Samstag, 22. Mai 2010

Geheimnis-Krämerei der Medizin kostet Menschenleben

Liebe Leser,

das Kölner Institut IQWiG hat vor kurzem eine Studie veröffentlicht über die Geheimnis-Krämerei in der Medizin (http://www.trialsjournal.com/content/11/1/37 ).
In der Wiener Zeitung äußert sich eine Autorin der Studie (http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4109&Alias=wzo&cob=494098). Sie sagt, dass das Verschweigen von Risiken  in der Vergangenheit  wahrscheinlich zehntausenden Patienten das Leben gekostet hat. Als  Beispiele für den "publication bias" werden dort auch die SSRI Antidepressiva und Vioxx genannt.
Ich wundere mich, das über die Studie bisher noch nicht in Deutschland im Fernsehen oder in einer Zeitung berichtet wurde.

WIENER.Zeitung at

Die geheimen Archive der Gesundheitsforschung: Was nicht marktfähig ist, wird verschwiegen

Medizin hält Studien zurück

Sie brachte positive Studien-Ergebnisse: Die 2009 zugelassene "Tomatenpille" beruht auf einer in reifen Paradeisern enthaltenen Substanz. Sie soll schädlichen Fetten im Körper binnen acht Wochen den Garaus machen. Foto: NTI

Sie brachte positive Studien-Ergebnisse: Die 2009 zugelassene "Tomatenpille" beruht auf einer in reifen Paradeisern enthaltenen Substanz. Sie soll schädlichen Fetten im Körper binnen acht Wochen den Garaus machen. Foto: NTI

Von Eva Stanzl

Aufzählung Experten: Negativ-Ergebnisse werden unter den Tisch gekehrt.
Aufzählung Geheimnis-Krämerei kostet Patienten das Leben.
Bonn/Wien. Geheimniskrämerei in der Gesundheitsforschung könnte in den vergangenen Jahrzehnten zehntausenden Menschen das Leben gekostet haben. Das geht aus einer Untersuchung des deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hervor. Die Forscher haben rund 60 Fälle zusammengetragen, in denen die Ausbreitung von Wissen in der Medizin behindert wurde.

Dazu wurden hunderte von Fachartikeln und andere Quellen ausgewertet, unter anderem aus den Gebieten Psychiatrie, Schmerztherapie, Herz-Kreislauf- Medizin, Krebstherapie und Infektionskrankheiten. "Die Sammlung liest sich wie ein Skizzenbuch zu einer Krimiserie", so die Autoren.

Vor allem das Verschweigen negativer Untersuchungsergebnisse bei neuen Medikamenten sei weit verbreitet. Eine Analyse von 90 in den USA zugelassenen Medikamenten zeige, dass diese in insgesamt 900 Studien erprobt worden seien, jedoch selbst fünf Jahre nach der Zulassung 60 Prozent der Studien noch nicht veröffentlicht worden seien. Bei anderen Studien würden oft nur ausgewählte Ergebnisse veröffentlicht.

"Dadurch werden Studienergebnisse oft positiver dargestellt, als sie sind", berichtet Studienautorin Beate Wieseler, Stellvertretende Leiterin des Ressorts Arzneimittelbewertung des Bonner Instituts. In der Wissenschaft wird das Phänomen "publication bias" genannt – oder: "Verzerrung durch selektives Veröffentlichen".

Auslöser für die Suche nach dokumentierten Beispielen für "publication bias" waren eigene Erfahrungen des IQWiG – zuletzt bei der Bewertung des Medikaments Reboxetin zur Behandlung von Depression. Das Pharmaunternehmen Pfizer hatte dem IQWiG erst unter öffentlichem Druck Studien zur Verfügung gestellt, die es bis dahin unter Verschluss gehalten hatte. Und in diesen unveröffentlichten Studien schnitt Reboxetin erheblich schlechter ab, als es zuvor anhand der veröffentlichten Studien den Anschein hatte. "Über viele Jahre wurden Patienten und Ärzte getäuscht", betont Wieseler.

Eine besonders hohe Korrelation zwischen Eigeninteressen und publizierten Resultaten ortet das IQWiG bei von Pharmafirmen durchgeführten Studien. Zitiert wird zudem eine Analyse, in der 2000 Studien im Bereich der Krebsmedizin nach Geldgebern getrennt ausgewertet wurden: Von den industriefinanzierten Projekten waren 94 Prozent nicht veröffentlicht, von den durch Universitäten finanzierten Projekten fehlten 86 Prozent. Auch Zulassungsbehörden müssen demnach aufgrund von gesetzlichen Regelungen Daten zurückhalten.

Schädliche Therapien

Leidtragende sind häufig die Patienten. Wenn Misserfolgsmeldungen unveröffentlicht bleiben, "setzen Ärzte und Patienten häufig Therapien ein, die in Wahrheit nutzlos oder sogar schädlich sind", so Wieseler. Etwa gehen Forscher heute davon aus, dass in den 1980er Jahren verschriebene Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen zehntausenden Menschen das Leben gekostet haben, weil frühe Hinweise auf gefährliche Nebenwirkungen nicht veröffentlicht worden seien.

"Bei registrierten Studien werden die Ergebnisse zurückgehalten, weil die untersuchten Präparate schlechter oder gleich gut funktionieren wie das Kontrollprodukt. Das färbt die Resultate der Evidenz-basierten Medizin rosa ein", bestätigt Claudia Wild vom Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment in Wien: "Pharmafirmen wollen den Markt und medizinische Forscher stets neue Sensationen publizieren." Kann man überhaupt noch auf die Medikamente vertrauen, die der Arzt verschreibt? Wild umschreibt es so: "Wenn Sie Ihrem Hausarzt vertrauen, dann vielleicht ja."

Kommentare zum Artikel:

20.05.2010 13:27:42 @B.A.Meier

Danke. Ist beeindruckend, denn fast alle der hier aufgezeigten Missstände verletzen geltendes Recht, sowohl in Europa als auch in USA. Mir ist es allerdings nicht gelungen Informationen über rechtskräftige Verurteilungen der hier genannten Unternehmen zu bekommen. Astrazeneca ist lediglich verknackt worden, weil sie ihr Quietapin unerlaubterweise für Kinder und Jugendliche beworben haben. Was natürlich lächerlich ist und lediglich Geld in die Kasse der US-Gesundheitsbehörde FDA spülen sollte. Offensichtlich sind unsere Rechtssysteme unfähig die Verstöße auch zu bestrafen oder die von Arzneitelegramm & Co vorgelegten Beweise halten einer Überprüfung nicht Stand. Moralisch ist das alles extrem verwerflich. Allerdings ist Moral in Politik und Wirtschaft längst keine Kategorie mehr.

Peter Minar

20.05.2010 03:28:56 @ Peter Minar - hier sind sie

die gewünschten Beweise
http://i.bnet.com/blogs/spielmans-parry-ebm-to-mbm-jbioethicinqu-2010.pdf
http://www.pharmtech.uni-bonn.de/dra/schoenhoefer
Andersherum geht auch: positive Ergebnisse unterdrücken und "Studien" so auslegen, dass sie negativ ausgehen müssen. Nur um die "durchgefallenen" Stoffe dann in der Presse weltweit als lebensverkürzend und gefährlich darstellen zu können. Das wird bevorzugt bei Vitaminen und anderen Mikronährstoffen praktiziert. Denn es wäre geschäftsschädigend, wenn die Medizinindustrie auf Umsatz verzichten müsste, weil Patienten sich durch die Einnahme fehlender Nährstoffe selbst heilen würden.
http://www.gladiss.de/pdf/vitamin_med.pdf
http://www.organicconsumers.org/articles/article_4399.cfm

B.A.Meier

19.05.2010 16:58:29 Beweise?

Das Verschweigen von Studien ist sowohl in Europa als auch in den USA verboten. Ich gehe daher davon aus, dass die genannten Institutionen (IQWiG, Ludwig Boltzmann Institut für HTA)entsprechend ihrem Wissen Strafanzeige erstattet haben.
Ich gehe auch davon aus, dass die Wienerzeitung über den Verlauf dieser Anzeigen informieren wird. So lange hier nichts gerichtlich untersucht und verurteilt ist, sind die Aussagen von IQWiG und Claudia Wild bestenfalls Eigenwerbung ohne Substanz. Derartige Vorwürfe werden seit Jahren erhoben, die Beweise sind derart dürftig, das mir nur wenige Verurteilungen bekannt sind. Auch für Experten sollte gelten, Vorwürfe ohne Beweise sind Unterstellungen.

Peter Minar

20.05.2010 03:20:26 Die Logik sagt einem,

dass mit körperfremden Substanzen aus Erdöl nicht die Ursachen von Krankheiten geheilt werden können. Chronische Vergiftung durch Chemikalien in Luft, Trinkwasser, Lebensmitteln und Mangel an Nährstoffen lassen sich nun einmal nicht durch weitere Giftstoffe heilen.
Und weil das Prinzip 'Gleiches ist mit Gleichem heilbar' zwar in der Homöopathie, nicht aber in der organischen Chemie/Pharmazie wirkt, muss bei Arzneimittel- und Medizinstudien getäuscht getrickst und gelogen werden.
Das geht so weit, dass komplette Medizinzeitschriften erfunden werden, um darin unternehmenseigene "Ergebnisse" publizieren zu können. siehe Firma Merck.
In "Meta-Analysen" können vorhandene ältere Studien nach Kriterien, die ein vorgefasstes Ergebnis erbringen, nochmals "ausgewertet" werden.
Damit können auch für den Patienten hilfreiche Verfahren ausgebremst werden.Die Studien, die in der "Meta-Analyse" bewertet werden, werden so ausgewählt und "ausgewertet", dass das gewünschte Ergebnis herauskommt. Um dann weltweit in den Schlagzeilen fälschlich als gefährlich oder lebensverkürzend dargestellt zu werden. So hundertfach geschehen bei Nährstoffen und Vitaminen, die wir zum Überleben benötigen.
http://www.pharmtech.uni-bonn.de/dra/schoenhoefer
http://i.bnet.com/blogs/spielmans-parry-ebm-to-mbm-jbioethicinqu-2010.pdf
http://www.gladiss.de/pdf/vitamin_med.pdf
http://www.organicconsumers.org/articles/article_4399.cfm

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