Liebe Leser,
in den letzten Jahren habe ich sie an dieser Stelle über der Stand meines Verfahrens gegen Pfizer wegen des Medikaments Zoloft informiert. Denn Zoloft hat gravierende Nebenwirkungen- bei Kindern und Jugendlichen erhöht es bewiesenermaßen das Suizidrisiko- und daher besteht ein starkes öffentliches Interesse, dass alle Risiken und Nebenwirkungen auch veröffentlicht werden.
Pfizer jedoch hat über viele Jahre das erhöhte Suizidrisiko von Zoloft geleugnet und verschwiegen, obwohl ihr dieses Risiko schon zum Zeitpunkt der Zulassung in Deutschland im Jahre 1996 bekannt gewesen sein musste. Denn aus den Daten in dem Zulassungsgutachten, das Pfizer 1995 in Auftrag gegeben hatte und das mein Anwalt und ich zusammen mit einem Experten 2009 bei der Aufsichtsbehörde BfArM einsehen konnten , geht hervor, dass die Suizidrate unter Zoloft deutlich höher war als in der Vergleichsgruppe.
Ein Jahr nach dem Suizid meiner Frau hatte ich daher 2006 bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen die Pfizer Pharma GmbH eingereicht wegen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz und wegen fahrlässiger Tötung. Doch die Strafverfolgungsbehörden sahen trotz der zahlreichen Belege für den Verstoß keinen Anlass, gegen die Pfizer Pharma GmbH eine entsprechende Untersuchung einzuleiten und hatten meine Anzeige abgewiesen. Wütend und Deprimiert über die Haltung der deutschen Justiz hatte ich daraufhin den leitenden Staatsanwalt wegen Strafvereitelung im Amt angezeigt. Doch auch diese Anzeige wurde von der Oberstaatsanwaltschaft abgewiesen. Das war im Sommer 2006. Ich war am Boden zerstört und wollte schon aufgeben.
Meine Anzeige wurde anschließend von der Staatsanwaltschaft an die zuständige Behörde weiter geleitet zur Untersuchung eines möglichen Ordnungswidrigkeitsverstoßes wegen Verstoßes gegen die Kennzeichnungspflichten nach dem Arzneimittelgesetz. Jahrelang habe ich hierzu nichts gehört und auch nicht weiter verfolgt, da ich mir hiervon wenig versprach und meine Zeit und Kraft zunächst einmal auf meine Klage gegen Pfizer wegen Schadenersatz und Schmerzensgeld konzentrieren wollte.
Anfang dieses Jahres wollte ich aber einen neuen Versuch unternehmen, dass die Verstöße von Pfizer auch strafrechtlich verfolgt oder doch zumindest doch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Also fragte ich zunächst bei der Staatsanwaltschaft nach, an welche Behörde die Akten damals weiter geleitet wurden und was die Untersuchung ergeben hat.
Ich wurde an das Regierungspräsidium Baden-Württemberg verwiesen. Doch sie wiederum, so erklärten sie mir, seien bei Verstößen gegen die Kennzeichnungspflichten zu den Risiken von Medikamenten auch nicht zuständig. Dies sei Aufgabe der Arzneimittel-Aufsichtsbehörde BfArM., so deren Aussage. Daher wurde auch keine Untersuchung eingeleitet und weiter nichts unternommen. Es ist also für Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz die Behörde zuständig, die auch die Zulassung von Zoloft ohne entsprechende Hinweise zum Suizidrisiko genehmigt hat, obwohl ihr das Risiko schon seit Mitte der 80er Jahre bekannt war und deren Verhalten somit mehr als fragwürdig ist. Interessenskonflikte der Aufsichtsbehörde sind somit vorprogrammiert. Wird sie die Verstöße von Pfizer bei der Kennzeichnung der Risiken von Zoloft so untersuchen, wie es ihre Aufgabe wäre, wenn sie sich möglicherweise damit selbst belastet?
Anfang September 2011 habe ich den Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz bezüglich der Anzeige der Risiken von Zoloft bei der Aufsichtsbehörde BfArM angezeigt und, als ich nach mehren Wochen und nach einer Anfrage zum Stand meiner Anzeige noch immer keine antwort erhalten habe, ihr eine Frist bis zum 15.12.2011 gesetzt. Doch auch diese Frist verstrich ergebnislos. Erst als ich daraufhin das Ministerium für Gesundheit angeschrieben hatte erhielt ich wenige Tage danach an Heiligabend einen Brief vom Präsidenten der Aufsichtsbehörde, Herrn Prof. Dr. Schwertfeger.
Darin schrieb er mir, dass der Behörde keine neuen Informationen bekannt wären, die eine Änderung der Risikoinformationen von Zoloft rechtfertigen würden und daher aktuell auch kein Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten vorliegen würde. Ich hatte in meiner Anzeige damit argumentiert, dass die aktuellen Fach- und Gebrauchsinformationen zwar auf das Suizidrisiko hinweisen, diesen Warnhinweis aber beschränken auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Das Risiko bestehe aber für alle Altersgruppen und daher sei die Fachinformation immer noch unvollständig.
Zu den Verstößen wegen der gänzlich fehlenden Kennzeichnung des Suizidrisikos in den Jahren 2004 und 2005, also zu einer Zeit, als bereits die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA einen „Black-Box“- Warnhinweis auf der Verpackung von Zoloft in den USA vorgeschrieben hatte, verweist der Präsident der Aufsichtsbehörde auf die Verjährungsfristen im Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG). Demnach verjähren Ordnungswidrigkeiten nach spätestens 3 Jahren.
Doch handelt es sich bei den Verstößen nur um Ordnungswidrigkeiten, die nur mit einer Geldstrafe geahndet werden können? Das Arzneimittelgesetz jedoch lässt bei schweren Taten auch eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren zu.
Hierzu zählt das Gesetz Taten, die (a) eine große Anzahl von Menschen gefährden oder (b)sie der Gefahr für Leib und Leben aussetzen oder (c) durch die sich der Täter einen unrechtmäßigen finanziellen Vorteil verschafft. All diese Kriterien sind hier gegeben. Pfizer hat ganz bewusst die Risiken der Suizidgefahr unterschlagen und verhindert, dass in der Gebrauchs- und Fachinformation hiervor gewarnt wurde, um den eignen Umsatz und Gewinn zu maximieren.
In meiner Antwort auf das Schreiben von Prof. Schwertfeger habe ich daher meine Anzeige erweitert in eine Strafanzeige. Mal schauen, wie das BfArM die Anzeige entkräften will.Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen …
Brief von Prof. Schwerdtfeger vom 23.12.2011
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