Liebe LeserInnen,
ich möchte Sie auf eine Entscheidung der Großen Koalition hinweisen, die auch die SSRI Antidepressiva betrifft, über die in diesem Forum viel diskutiert wird.
Denn in der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass die Parteien der neuen Bundesregierung einen faulen Deal geschlossen haben, durch den wahrscheinlöich verhindert wird, dass die SSRI Antidepressiva von unabhängiger Seite kritisch überprüft werden bezüglich Nutzen und deren Risiken.
Wie Sie sicher wissen wurden im Jahr 2005 die pharmazeutischen Unternehmen von der Europäischen Kommission dazu verpflichtet, auf das erhöhte Suizidrisiko der SSRI- Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen hinzuweisen. Im gleichen Jahr wurde in Deutschland auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen gegründet (IQWiG) und mit der Überprüfung des Nutzen und der Wirtschaftlichkeit verschiedener Medikamente beauftragt. Einer dieser Aufträge (offizielle Bezeichnung A05-20B) betraf auch die in die Kritik geratenen SSRI- Antidepressiva. Denn neben dem Suizidrisiko haben diese Medikamente weitere gravierende Nebenwirkungen und nur eine geringe Wirksamkeit. Schon in den 90er Jahren, als diese Mittel von den nationalen Aufsichtsbehörden zugelassen wurden, bestanden erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der SSRI- Antidepressiva. Als sich dann nun noch das erhöhte Suizidrisiko bestätigte, war es ein logischer Schritt, den Nutzen und die Wirksamkeit dieser Mittel von einem unabhängigen Institut erneut überprüfen zu lassen.
Doch der Auftrag des IQWiG mit der offiziellen Bezeichnung A05-20B zur Nutzenbewertung der SSRI- Antidepressiva wurde erst einmal mehrere Jahre zurückgestellt. Denn das Institut hatte viele andere Aufträge und konnte nicht alle gleichzeitig bearbeiten. Auch noch nach 5 Jahren hatte sich an diesem Status nichts geändert. Noch immer lag dieser Auftrag auf Halde und wurde nicht bearbeitet. Als zwischenzeitlich das Antidepressiva Reboxetin einer anderen Wirkstoffgruppe vom IQWiG überprüft wurde, da stellte sich hierbei heraus, dass dieses Mittel nicht wirksamer war als die Vergleichsmedikamente. Die vollständigen Studien wurden hierbei vom Unternehmen Pfizer erst nach öffentlichen Druck herausgegeben.
Es war daher zu befürchten, dass auch die SSRIs einer kritischen Überprüfung durch das IQWiG nicht standhalten würden.
Dann wurde mit Beschluss vom 18.110.2012 des G-BA der Auftrag zur Nutzenbewertung der SSRI zurückgezogen. Ich erfuhr hiervon nur durch Zufall. Zur Begründung wurde hierbei auf das neue Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) verwiesen und der dort eingeführten frühen Nutzenbewertung, die die alte Nutzenbewertung überflüssig machen soll. Doch die betrifft eigentlich nur neue Arzneimittel und nicht die des Bestandsmarktes. Der nächste Schritt ließ daher auch nicht lange auf sich warten: Die Parteien der Großen Koalition einigten sich im Koalitionsvertrag darauf, dass der Bestandsmarktaufruf, also die Bewertung der bereits zugelassenen Medikamente, nicht stattfinden wird. In SpiegelOnline erklärte der Vorsitzende des G-BA hierzu nur (siehe: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/bestandsmarkt-nutzen-etablierter-medikamente-doch-nicht-neu-geprueft-a-943188.html), dass diese Medikamente ohnehin bald ihren Patentschutz verlieren würden und die Bewertung der älteren Medikamente dann nicht mehr notwendig sei. Außerdem befürchtet man, dass man ansonsten mit zahlreichen Klagen der Unternehmen rechnen müsste, wenn deren Medikamente neu bewertet würden und dann eventuell bei negativem Ausgang nicht mehr erstattet würden. Dies zeigt, dass es den Gesundheitspolitikern bei der Bewertung nur un das Geld geht. Die Frage nach den Risiken und Nebenwirkungen und ob der Nutzen diese Risiken rechtfertig, wird hierbei nicht gestellt.
Die Lobby der Pharmaunternehmen hat es also geschickt verstanden, dass die SSRI-Antidepressiva nun doch nicht neu geprüft werden müssen. Für sie gilt der Spruch: einmal zugelassen, immer zugelassen. Und dabei spielt es auch keine Rolle, wenn nach der Zulassung gravierende Nebenwirkungen bekannt werden, die einen kaum vorhandenen Nutzen bei weitem überwiegen.
Doch dies kann und darf so nicht hingenommen werden! Denn unsere Gesundheit ist ein zu hohes Gut, um sie allein den Politikern und Lobbyisten zu überlassen.
Ich hatte daher an den Petitionsauschuss des deutschen Bundestages vor ca. einem Jahr eine Petition gerichtet und den Bundestag darin gebeten, den Gemeinsamen Bundesauschuss zu beauftragen, dass er das Prüfinstizut damit beauftragt, die SSRI-Antidepressiva einer Risiko-Nutzenbewertung zu unterziehen, wie es ja eigentlich auch vorgesehen war. Da von dieser Medikamentengruppe viele Menschen in Deutschland betroffen sind, habe ich auch darum gebeten, dass meine Petition auch auf der Interntseite des Petitionsausschusses zur Mitzeichnung veröffentlicht wird. Dies wurde jedoch mit der Begündung abgeleht, dass meine Petition gegen die Vorschriften für öffentliche Petitionen verstoßen würde, da sie einen Hinweis auf das Schicksal einer Person, meiner verstorbenen Frau, enthielt. Doch auch als ich die Petition entsprechend abgeändert hatte, wollte man sie nicht veröffentlichen. Denn es besteht, so deren Argumentation, zum einen kein Rechtsanspruch auf Veröffentlichung auf der Web-Seite des Petitionsausschusses und zum anderen hat der Petitionsauschuss darauf zu achten, dass die veröffentlichten Themen ausgewogen sind. Mir ist aber nicht bekannt, dass dort Anfragen zu Medikamenten und deren Nebenwirkungen überwiegen.
Es hat vielmehr den Anschein, dass man auch dort jede Öffentlichkeit und öffentliche Diskussion von vornherein vermeiden will. Der Petitionsausschuss hatte mir zwar Anfang letzen Jahres zugesagt, dass man eine Beschlussvorlage für den Bundestag erstellen wird, sich dies aber aufgrund der anstehenden Neuwahlen des Bundestages aber noch hinziehen wird. Wie diese Beschlussvorlage aussehen wird, kann man sich aber denken. Nachdem die Große Kolalition beschlossen hat, dass ältere Medikamente nicht mehr geprüft werden, wird man im Petitionsausschuss für die SSRIs wohl kaum eine gegenteilige Entscheidung vorschlagen.
Um die Problematik der Vereinbarung der Großen Koalition zu den Bestandsmedikamenten dennoch in der Öffentlichkeit zu thematisieren, habe ich meine Petition jetzt auch auf OpenPetition zur Mitzeichnung eingestellt.
Ich hoffe, dass möglichst viele in diesem Forum meinem Aufruf folgen und die Petition durch ihre Unterschrift unterstützen. Vielleicht sprechen Sie auch Freunde und Bekannte hierauf an. Es ist auch ganz einfach und kostet nicht viel Zeit.
Der folgende Link führt Sie direkt auf die Web-Seite:
https://www.openpetition.de/petition/online/neubewertung-des-nutzens-und-der-risiken-der-ssri-antidepressiva
Ich bedanke mich und wünsche Ihnen allen ein frohes und gesundes Neues Jahr 2014.
Viele Grüße,
Lothar Schröder
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen