Freitag, 18. April 2008

Ghostwriter und verschwiegene Todesfälle- Parallelen zwischen Merck und Pfizer













Merck hat , wie jetzt vor wenigen Tagen in dem angesehenen Journal of the American Medical Association JAMA veröffentlicht wurde, jahrelang von dem erhöhten Herzinfarktrisiko von Vioxx gewusst und dieses Wissen verschwiegen vor der Öffentlichkeit und vor der FDA. Bereits 2001 haben interne Studien Mercks bei Alzheimer-Patienten gezeigt, dass das Herzinfarktrisiko etwa 3-mal größer ist als in der mit Placebos behandelten Kontrollgruppe. Trotz dieses Wissens wurden in medizinischen Fachzeitschriften von gekauften Ärzten und Wissenschaftlern die Wirksamkeit und gute Verträglichkeit von Vioxx gelobt und die Öffentlichkeit bewusst belogen!
Diese hässlichen Details wurden bekannt aus Unterlagen der FDA und internen Dokumenten, die jetzt die Gerichte in den zahlreichen Schadenersatzprozessen einsehen konnten. Merck hat letztes Jahr für die ca. 47.000 Klagen einen Betrag von 4,85 Mrd. $ bereitgestellt.

Doch Merck ist keine Ausnahme! Auch GlaxoSmithKline und Pfizer haben jahrelang von den Suizidrisiken ihrer Antidepressiva
Paxil und Zoloft gewusst und es vertuscht! Auch bei Glaxo wurde erst durch den Einblick der Gerichte in interne Dokumente das wahre Ausmaß der Risiken bekannt.
Dass hiervon die Öffentlichkeit jahrelang nichts erfahren hat und sich die Mär von den wirksamen und gut verträglichen Antidepressiva so lange halten konnte, auch dafür haben Ghostwriter gesorgt. Pfizer und Glaxo haben viele Artikel zu den Studien ihrer Medikamente entweder selbst geschrieben oder bei speziellen Marketingfirmen in Auftrag gegeben. Und um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen wurden renommierte Wissenschaftler und Ärzte angeheuert, die die Studien selbst nicht kannten oder betreut haben und nur ihren Namen als Co-Autor bereitgestellt haben. Über diese weit verbreitete Praxis bei Pfizer hatte schon im Dezember 2005 das
Wall Street Journal berichtet (siehe obenstehenden Auszug aus der Online-Publikation des Wall Street Journals).

Für ihre positive Bewertung der Studien zu Zoloft wurden die Ärzte und Wissenschaftler fürstlich bezahlt. In einem Fall, über den 1999 im Boston Globe berichtet wurde, bekam ein Wissenschaftler von Pfizer mehr als 200.000$ an direkten Zuwendungen und mehrere Millonen US-$ Forschungsgelder:

"...In the October 4, 1999 Boston Globe, Alison Bass reported that in 1998, as a professor at Brown University, Dr Keller was forced to forfeit “hundreds of thousands of dollars” in state grant money and was paid more than $500,000 in consulting fees in 1998, most of it from companies whose drugs he touted in medical journals and at conferences.
In the report, Ms Bass pointed out that Keller was a valuable resource for the University, and had brought in about $14.4 million in research funding from drug companies and federal agencies since 1993.
According to the report, in 1998, the year Keller published 3 studies with colleagues in the Journal of the American Medical Association and the Journal of Clinical Psychiatry touting the efficacy of Zoloft, he received $218,000 in personal income and more than $3 million in research funding from Zoloft maker Pfizer..."


Über das Ausmaß des Ghostwritings sind auch die Medizinischen Fachzeitschriften entsetzt und haben erste Maßnahmen ergriffen, um die Transparenz zu erhöhen und die wahre Autorenschaft der publizierten Artikel offen zu legen. Dr. DeAngrlis und Dr. Fontanarosa vom renommierten Journal of the American Medical Association (JAMA) haben einen 10-Punkte Katalog mit Verhaltensregeln für Autoren von wissenschaftlichen Publikationen vorgelegt. Am Schluß ihres Editorials (siehe 4) schreiben sie:


When integrity in medical science or practice is impugned or threatened- such as by the influence of industry- patients, clinicians, and researchers are all at risk for harm, and public trust in research is jeopardized. Ensuring, maintaining, and strengthening the integrity of medical science must be a priority for everyone".

Doch neues Vertrauen in die Medizin und Pharmazie schafft man nur durch Transparenz und Offenheit. Dazu müssen auch bei Pfizer alle Akten auf den Tisch der Öffentlichkeit! Erst wenn das ganze Ausmaß der Risiken von Zoloft und die Manipulationen und Korruption bekannt gemacht wird und die Geschädigten zu ihrem Recht gekommen sind und Maßnahmen in den Unternehmen und bei der Aufsicht ergriffen wurden, die in Zukunft solche kriminellen und korrupten Praktiken verhindern sollen, kann wieder neues Vertrauen entstehen.

Die Kernfrage hierzu in Deutschland ist: Sind die deutsche Aufsicht und Justiz hierzu willens und in der Lage die Offenlegung der Dokumente zu Zoloft und anderer Medikamente durchzusetzen? Wie weit geht der Einfluß der Pharma-Industrie auf die Justiz und Aufsicht?
Doch eines ist sicher: Ohne öffentlichen Druck wird nicht viel passieren und man wird versuchen das eigene Versagen zu vertuschen!

Quellenangaben:


  1. aerzteblatt.de, 16. April 2008
    MedizinGhostwriter in Vioxx®-Studien – Selektive Darstellung der Risiken?
  2. Guest Authorship and Ghostwriting in Publications Related to Rofecoxib,
    A Case Study of Industry Documents From Rofecoxib Litigation. The Journal of the Americam Medical Association, Joseph S. Ross, MD, MHS; Kevin P. Hill, MD, MHS; David S. Egilman, MD, MPH; Harlan M. Krumholz, MD, SM
    JAMA. 2008;299(15):1800-1812.

  3. Reporting Mortality Findings in Trials of Rofecoxib for Alzheimer Disease or Cognitive Impairment
    A Case Study Based on Documents From Rofecoxib Litigation
    Bruce M. Psaty, MD, PhD; Richard A. Kronmal, PhD
    JAMA. 2008;299(15):1813-1817.

  4. Impugning the Integrity of Medical Science
    The Adverse Effects of Industry Influence
    Catherine D. DeAngelis, MD, MPH; Phil B. Fontanarosa, MD, MBA
    JAMA. 2008;299(15):1833-1835.

1 Kommentar:

Dorothee Krien hat gesagt…

Da gibt es auch das Beipsiel Zyprexa, ein atypisches anti-psychotisches Mittel der Frima Lilly, das laut Aussage von David Healy, dass es schon in den ersten Versuchsreihen mehr Suicidfaelle als bei jedem anderen Psychopharmkon gegeben hat. Bis heute - soweit ich weiss - gibt es auf den Beipackzetteln keine Warnung. Healy ist ein Psychiater und Forscher, der viel fuer Pharmafirmen geforscht hat und der einer der groessten Kritiker geworden ist.
Der Artiekl Testing Psychotropic drugs on Children" duerfte Sie besonders interessieren, da auch von der Firma Pfizer die Rede ist, die Daten ueber Selbstmorde vor der Oeffentlichkeit verborgen gehalten hat. Allerdings handelt es sich um das Medikament "Sertraline".
http://www.ahrp.org/children/healy0402.php
"At much the same time Lilly began studies on Zyprexa in children. There are parallel problems to Pfizer's studies. The studies in adults with Zyprexa that Lilly submitted to the FDA demonstrate, as far as I can establish, a higher death rate on Zyprexa than on any other anti-psychotic ever recorded. In addition to this Lilly have suppressed data on suicidal acts on Zyprexa from these trials. The data are not available in the scientific literature, nor from FOI requests to the FDA, nor from enquiries to the company."